von Sonja M. Büttner
Es war in San Marino. In einer der engen Straßen der Altstadt hatte ich ein kleines Geschäft mit „indischen Schätzen“ entdeckt. Für einen großen Indien-Liebhaber wie mich ein Muss. Mein Hund musste draußen warten, aber es sollte ja nicht lange dauern. Wir wollten ja heute noch weiter und nicht hier versumpfen. So der Plan. Die Entscheidung für das richtige Set Armreifen, Bangles genannt, dauerte dann aber doch länger als gedacht. Es gab so viele Farben, so viele Möglichkeiten zu kombinieren. Was sollte ich nur tun? Um dem Ganzen ein Ende zu setzen, entschloss ich mich schließlich für ein paar Ohrringe und ließ die Bangles Bangles sein.
Inzwischen war es Mittag. Zeit sich etwas zu Essen zu besorgen. Wir fanden eine Auslage mit Bagel. Mein Hund war ja für Schinken, mich hingegen lachte eher der mit Tomate-Mozzarella an. Eine Entscheidung, die er mir für den Rest des Tages übelnehmen würde.
„Erst Schmuck, jetzt nicht mal Fleisch.“ Seine Augen sprachen Bände, „Was ist mit mir?!“
Der Bettelblick wurde ausgepackt. Alle Zeichen standen auf Schinken. Ich nahm Tomate-Mozzarella. Ein Hundetrainer hatte mal gesagt, „Hunde sind nicht nachtragend. Sie haben schnell vergessen, leben im Hier und Jetzt.“ Ich verließ mich auf diese Aussage. Und war verlassen. Irgendwie hatte meiner davon nichts mitbekommen.
Ein langer Spaziergang mit noch längerer Leine war mein Versuch, es wieder gutzumachen. Das liebte er. Normalerweise. Diesmal nicht. Acht Meter Leine hingen durch, statt unter Spannung zu stehen. Er trottete neben mir her, mal links, mal rechts, und ich hatte Mühe, nicht über jene Leine zu stolpern.
„Um Himmels willen, es war doch nur ein Bagel!“
„Nur?“ Er sah mich mit großen Augen an, „NUR?!“, dann drehte er sich weg und würdigte mich keines Blickes mehr.
Wir gingen zurück Richtung Altstadt. In den engen Straßen war wieder die kürzere Leine besser. Ich holte sie aus der Tasche, leinte ab und wollte gerade die Kurze einklicken – falsche Reihenfolge.
Mein Hund, als hätte er nur darauf gewartet, auf und davon. In einem fremden Land. San Marino. In dessen Altstadt. Meine Orientierung war gut. Mein Wissen über den Stadtplan begrenzt. Es blieb mir nichts anderes übrig, als mich durchzufragen. Zum Glück hatte ich ein Foto von ihm auf dem Handy. War so panisch, als wäre mein Kind und nicht mein Hund entlaufen. Sicherlich ein seltsamer Anblick.
Ich erreichte die Straße mit der Bagel-Auslage. Der Besitzer tobte, erkannte den Übeltäter auf dem Foto. Ich zahlte und folgte dann seiner Wegbeschreibung.
Letztendlich kam ich zu dem kleinen Geschäft mit den „indischen Schätzen“ und den Bangles. Davor lag mein Hund und kaute genüsslich auf seinem Bagel mit Schinken.
„Herr Schröder, was machst du denn ?!“
Ein deutscher Mann, der gerade den Laden verließ, sah mich verwirrt an.
„Nicht Sie. Der Beagle.“
© Sonja M. Büttner 2021-05-30