Bar-Mieze

Maria Büchler

von Maria Büchler

Story

Eine der Barfrauen im Relax war Yvonne. Sie spielte bei einer Guggenmusik-Gruppe den Schellenbaum und erzählte von ihrem neuen Kostüm. Jedes Jahr gebe es ein anderes Thema, alle Mitglieder würden sich die Kleider selbst schneidern. Ob ich auch eine Fasnächtlerin sei? –Ja, aber weniger als Zuschauerin, lieber bin ich aktiv mit dabei.

„Warum verkleidest du dich nicht? Ich kann dir mein Katzenkostüm vom letzten Jahr leihen.“ Sie brachte mir einen braun-schwarzen Plüsch-Overall samt Schwanz, Öhrchen und Schuhbezügen. Ich brauchte nur noch eine Perücke und Schminke.

Am Schmutzigen Donnerstag wurde ich um fünf Uhr früh vom Urknall geweckt. Die Stadt tobte, überall stiegen Raketen auf, alle Musikgruppen schienen gleichzeitig zu spielen. Es dröhnte, klingelte, schepperte, brauste und trommelte wild.

Mein Mann war bereits in die Stadt gegangen. Mich hielt es nur schwer daheim, ich fieberte dem Schminktermin entgegen. Mir wurde passend zum Kostüm ein air brush verpasst. Aus dem Spiegel blickte mir eine Miezekatze entgegen, ich erkannte mich selbst kaum wieder. Nichts wie raus auf die Gassen!

Wie immer waren alle Geschäfte und Ämter an diesem Tag geschlossen. Die Gassen waren gestopft voll, an den Getränke-, Wurst-, Backwerk- und Raclette-Ständen drängten sich die Leute. Es duftete nach Glühwein und Kafi Schnaps. Kaum jemand, der nicht verkleidet war oder wenigstens das Gewand mit den Rüschenreihen trug. In jedem Hof, jeder Nische schränzte eine Guggenmusik. Vor den Gaststätten türmten sich meterhoch die „Grende“ (Pappmachéköpfe), Pauken und andere Instrumente. Ich blickte mich nach Yvonnes Gruppe um, entdeckte sie aber nirgends. Kein Wunder bei so vielen Leuten!

Zu meiner Enttäuschung wurde ich im Relax sofort erkannt. Konfetti und Papierschlangen mischten sich am Boden mit dem Schneematsch, das Personal trug Fantasiekostüme und war bis zur Unkenntlichkeit bemalt.

Auch Karl und Luca waren da. Sie stellten Adam und Eva dar und hatten sich im Fundus des Stadttheaters hautfarbene Ganzkörpermasken geholt. Luca natürlich als Frau, nur mit einem Feigenblatt bedeckt. Er trug eine grüne Federboa, mit der er verführerisch spielte. Er stellte sich immer wieder auf eine der Bänke vor den Fenstern, produzierte lasziv einen Table Dance und wurde von allen Seiten fotografiert.

Karl stand ruhig lächelnd daneben, ganz duldsamer Adam. Ihm hing eine Schlange von der Schulter. Luca jedoch lebte seine Weiblichkeit voll aus, auch die Hetero-Männer ließen ihn nicht aus den Augen.

In der Nähe der Bar starteten die Umzüge. Nach und nach formierten sich die Gruppen vor dem Start. Es wurde 17 Uhr, bis sich die letzten Teilnehmer in Bewegung gesetzt hatten. Während der Wartezeit kamen sie immer wieder in das Relax, um sich aufzuwärmen. So mancher war nicht mehr nüchtern, wenn er zu seinem Wagen zurückkehrte und dem Zug folgte. Wir Gäste aber sahen die einzelnen Nummern aus der Nähe und hielten uns obendrein in der Wärme auf.

© Maria Büchler 2023-01-02