von PETER MANDL
Das Jahrtausend war schon alt, ich fuhr zum zwanzigsten Mal der Kreuz und der Quer durch Cuba. Per Lastwagen, Eselskarren und im neuen Devisenbus Viazul. In Schlangenlinien waren es gut 2000km ab Havanna. Valle de Viñales, Cayo Santa Maria, Cienfuegos etc. Eines Abends in der alten Kolonialstadt Guantanamo (dort, wo die “demokratischen” Yankees seit 20 Jahren ein grausames Folterlager unterhalten) geriet ich in ein karibisches Straßenfest und fand kaum ins Bett.
In Santiago, Havannas munterer Schwester, schaute ich vom Hotel Casagranda auf den Balkon, wo Fidel Castro am 1.1.1959 den Sieg der Revolution verkündete. Später ergatterte ich in einem für Ausländer nicht erlaubten Bus einen Fahrschein nach Baracoa, der östlichsten Stadt Cubas. Im Hotel La Rusa hatte ich das Zimmer reserviert, in dem Ernesto Guevara de la Serra, genannt Der Che, gewohnt hatte.
Ja, Schnecken! Kaum schälten wir Passagiere uns aus dem Bus, waren wir von dutzenden aufgeregten Hausbesitzerinnen umringt, die ihre Etablissements in hohen und lauten Tönen anpriesen.
I‘ m in the Lonely Planet! La habitaćion tiene baño privado! Es war aussichtslos. Adios, Che, ich entschied mich für das Angebot einer Lehrerin, die mir ihre schöne Terrasse zeigte (die gackernden Hendln hatte sie vermutlich herausretuschiert).
Im Haus wurde ich auf Händen getragen. Die 15jährige Tochter wurde aus ihrem- jetzt meinem- Zimmer geworfen. Ein allfälliger nächtlicher Toilettengang führte lustigerweise durch’s Schlafzimmer der Eltern. Für insgesamt 17 Dollars Kost und Logis kochte sich die Hausfrau die Seele aus dem Leib und der Fisch reichte für die ganze Familie inklusive Oma.
In die Stadt verliebte ich mich stehenden Fußes. Alte Kolonialhäuser, am Strand außer mir kein einziger Gringo, nur ein paar schnatternde Schulkinder auf dem Heimweg. Aus einem niedrigen Haus dringen laut und live Salsaklänge. Ich werde sofort hineingezogen und sehe eine fröhliche Gesellschaft von älteren Damen und Herren, hüftwiegend, tanzend. Wie gehts so immer? Uns gehts sehr gut, wir sind alle Jubilados (Pensionisten), tagsüber hier und am Abend holen uns die Kinder wieder ab.
Der Mann meiner Gastgeberin, auch Lehrer, hat ein altes Moped zur Verfügung, mit dem er mich zum Nationalpark El Yunque chauffiert. Mir ist aber zu heiß zum Herumkraxeln.
Zum Haarschneider! Herr Lehrer führt mich ums Eck in ein winziges Gassenlokal. Der Friseur: ein sehr alter Herr. Tarif: ein Peso, das ist ungefähr ein Vierundzwanzigstel Dollar. Ich gebe ihm einen Schein der Hartwährung. Er glaubt es nicht, hält ihn in die Höhe, busselt ihn ab. Un dolar, un dolar! Ich schäme mich.
Mehr als eine Woche vergeht, meine Lehrerin kennt einen hohen Herrn vom Busbahnhof, der besorgt mir ein illegales Ticket für die abenteuerliche Strecke nach Guardalavaca, wohin ebenfalls nur Einheimischen- Klapperbusse fahren, für Ausländer tabu. Dort wartet für die letzten Tage eine Strandvilla, Todo lncluido, Kulturschock!
© PETER MANDL 2022-12-26