Barcelona: Verlieren und finden

Ernad Bradaric

von Ernad Bradaric

Story

Den zweiten Tag in der katalanischen Metropole verbrachten wir bis zum Nachmittag am Strand. Irgendwann hatten wir genug vom Sprachenbecken am Mittelmeer, eingeölten Sportjunkies und heißem Sand: Auswanderung in die Stadt hinein. Unser Apartment befand sich direkt an der Sagrada Familia, das würde vom Strand aus einen Gewaltmarsch von mehreren Kilometern bedeuten. Wir entschlossen uns an der La Rambla Obst zu kaufen und die nächste Metro zu nehmen.

Mit unserem rudimentären Spanisch tasteten wir uns an die Einheimischen heran, doch auch diese wussten nicht wirklich was mit dem Metronetz anzufangen und konnten uns nicht sagen, wo überhaupt die nächste Station ist. Vage Richtungen wurden uns diktiert. Nach längerem Suchen bogen wir in zwei weitere Straßen ein, und sahen in guter Entfernung die unfertige Kathedrale mit den Kränen der Umgebung vor uns. Ich stieß ein Lachen der Überraschung aus.

,,Dann nehmen wir jetzt den Bus.“

Wir machten uns auf und suchten nach einer Bushaltestelle, einbiegend in zwei weiteren Straßen. Eine der Linien muss uns doch zu dem Wahrzeichen der Stadt bringen. Wir fanden auch gleich zwei Stationen, doch beide schienen uns nicht zu dem gewünschten Platz zu transportieren. Wir entschlossen uns einen Stadtplan zu suchen, der noch nicht vergilbt oder unleserlich ist und so vielleicht noch zu unserer habitacion zu finden. Bevor wir eine fanden, lächelte uns die nächste Haltestelle zu. Aufgeteilt auf beide Straßenseiten fragten wir ein weiteres Ma nach bei den Einheimischen, zumindest bei den einheimisch geglaubten. Wie nennt man die Leute von Barcelona eigentlich? Barcelonier, Barcelonen…Barcelonianer? Am Vortag sagte uns das Internet Barcelones. Diese verstanden unser Anliegen nicht ganz, mit verzwickten Augen und Gesten auf die Straße versuchten sie uns was zu erklären, die Botschaft aber nicht an. Kennen sich die sogenannten Barcelones etwa mit dem eigenen Streckennetz nicht aus? Wir entschieden uns, es noch einmal zu versuchen und noch einmal abzubiegen, um immerhin noch ein bisschen Kraft zu sparen. Schließlich wollten wir diese Stadt noch bei Nacht erleben.

Bei der nächsten Ecke brachen wir in schallendes Gelächter aus: Vor uns erstreckten sich unfertige Türme aus Sandstein und ein großes Rundfenster aus. Skulpturen spanischer und biblischer Heiliger lachten uns hämisch aus. Vor unseren Gesichtern stand die Sagrada Familia in katalanischer Nachmittagssonne.

© Ernad Bradaric 2021-08-06

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