Bärlauchsuche

Marianne Gröschl

von Marianne Gröschl

Story

Sonnenschein nach tagelangem grauem Himmel.

“Heute wollen wir doch mal raus! Wer kommt mit?” “Ich mag nicht Oma. Es ist so kalt. Ich will daheim bleiben“, sagt die ältere Enkelin. ”Ich mag schon!“, erwidert die Jüngere, mittlerweile stolze vier Jahre alt, was sie immer mit vier leicht abgeknickten Fingern ihrer rechten ausgestreckten Hand demonstriert, während sie mit wachem Blick die Zahl der Finger kontrolliert. Das bringt mich jedesmal zum Schmunzeln.

Anorak an, Schal um den Hals und Mütze auf dem Kopf. Schon kann es losgehen. Wir wollen die ersten zarten Blätter des Bärlauchs finden. Dazu haben wir eine Stofftasche mitgenommen, in die wir unsere Pflanzenbeute legen wollen. Omama weiß die besten Plätze entlang des Flusses, im lichten Laubwald. Doch das Gurgeln des Baches ist anfangs so anziehend , dass wir zuerst das Flussbett aufsuchen müssen. “Wollen wir ganz still sein und den Vögeln lauschen, die dort drüben am anderen Ufer, im dichten Gestrüpp aufgeregt hin und her flattern?” frage ich. “Das sind doch kleine Spatzen, oder, Oma?” Eine kleine Kolonie, deren Zwitschern uns kurz fasziniert, doch gleich entdecken wir an mehreren Stellen kleine Eisschichten am Ufer. Mit klammen Fingern heben wir die kleinen Eisplatten und schauen uns durch die kleinen Gucklöcher an, um sie dann berstend zu Boden fallen zu lassen. Mit quitschendem Vergnügen wird danach jedes Eisplättchen mit dem rechten Fuß zerkleinert.

“Jetzt wollen wir aber den Bärlauch suchen. Ich kann ihn schon riechen!” Der Boden ist mit graubraunem Laub bedeckt, feucht und humusreich. Wir kämpfen uns durch jung aufstrebende Weidensprößlinge, die, weil noch weich, wir mit beiden Armen auseinanderbiegen und uns den Blick freigeben auf die jungen Blattspitzen der ersten Bärlauchbüschel, die fleckenweise auf uns warten. Wir wollen nur die bereits größeren Blätter ernten und darauf achten, die kleinen Triebspitzen nicht zu zertreten. “Ich seh schon ganz viel Bärlauch , Oma. Schau wie ich das mache!” Mit Akribie entfernt sie mit beiden Händchen das Laub rund um die kleinen Horste, um dann mit den kleinen Fingern, die Blätter am Ansatz abzuzwicken. “Meine Finger riechen schon ganz nach Knoblauch”. Verschmitzt, mit gerümpfter Nase, läßt sie die Blattbündel geräuschlos in die Stofftasche rieseln. Sie findet noch leere Schneckenhäuser, die auch mit in die Tasche müssen und Müll. “Oma, da sind Plastikflaschen im Gestrüpp”, und schon hat sie beide geschnappt und läuft in Richtung angrenzendem Weg. “Schatz, wir kommen wieder und nehmen einen Müllsack mit, sammeln das nächste Mal den Müll auf“, ruf ich ihr hinterher. “Ich zeig dir,was“, und nach wenigen Schritten, schwupsdiwups, landen die Plastikflaschen in einem Mistkübel, den sie offensichtlich schon am Weg zum Fluß wahrgenommen hatte.

“ Du bist toll, Franzi! Ich hab ihn zuvor nicht gesehen. Jetzt bringen wir aber unsere Ernte nachhause und machen uns einen leckeren Bärlauchaufstrich.“

© Marianne Gröschl 2022-03-10

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