von Toni Gau
„Es ist ein guter Text, Hank. Wirklich ein guter Text. Keiner deiner besten, aber weiterhin gut. Kriegen wir gedruckt.“ Desinteressiert stopfte Hank mithilfe eines Stiftes seine Zigarette
(Beedies, selbstgedreht – die gesunden, Hank)
und zündete sie in derselben Handbewegung an. „Und was ist mit den anderen?“
„Hm?“
„Die ich dir gegeben habe, Martin. Die—“
„Du darfst mich weiterhin beim Vornamen nennen.“ Hank prustete beim Versuch zu lachen; kleine Rauchschwaden verließen seinen Mund. Höllenorgan. „John fucking Martin! Du hast nur Vornamen.“ Martin konnte sich ein leichtes Kichern nicht verkneifen. Würde Hank einem ins Gesicht spucken, man würde sich weiterhin bedanken. Martin wusste sich nie zu erklären, woran das lag. „Die anderen Texte jedenfalls. Ich hab‘ dir mehr als nur einen gegeben, nicht? Ob sie gut sind, frage ich.“
„Hank, beim besten Willen – du schreibst schneller als ich korrigieren kann. Scheiße, bestimmt sind sie das. Keine Ahnung. Wenn du eins bist, dann konstant.“ Hank nahm einen tiefen Zug seiner Zigarette und klopfte die Asche ab. Mit einem Mal war ein Drittel des Lungenbrötchens verspeist. „Schon gut, lass dir Zeit. Ich vertrau dir da. Für mich ist das alles durch, steht erstmal das letzte Wort.“ Hank grinste, leicht selbstgefällig. „Vielleicht bin ich deswegen so konstant, was?“
„Oder weil du hier jedes Mal mit einer Fahne antanzt.“ Beide lachten. „Ach, fick dich doch, Martin. Direkt ins Knie, wenn ich Sonderwünsche stellen darf.“
„Da musst du Bambi fragen, ich bin nur Lektor.“ Hank liebte diese kleinen Schlagabtäusche. Man fühlte sich erst lebendig, wenn man einander an der Gurgel hing. Was ein Zirkus. „Nein Martin, nein. Du bist eine Kettensäge.“
„Eine Kettensäge?“
Hank nickte bedächtig. Die Beedi brannte nahe seinen Fingerkuppen. „Hör mal: Ein guter Text ist ein Wald – und ein gutes Lektorat eine Kettensäge. Ein schlechter Text ist ein Baum – und ein schlechtes Lektorat ein Feuer.“ Hank schnippte seine Zigarette gen Aschenbecher. Martin zückte eine Augenbraue. „Ist dir das beim Kacken eingefallen?“ Beide lachten, erneut. Hank verneinte nichts.
„Dann bist du wohl ein Baum in der Brandung, hm?“
„Pah!“ Hank rollte zufrieden schon die nächste Zigarette. An guten Tagen war er eine Holzlatte. „Scheiße, Martin. Ich bin ein Bastard im Bühnenlicht.“ Die Zigarette loderte. „Ein betrunkenerBastard im Bühnenlicht“, korrigierte Hank sich mit wedelndem Finger. „Das war’s.“ Martin zuckte mit den Schultern. Wo er recht hatte. Er beugte sich etwas zu Martin rüber. „Aber weißt du was? Das kann ich gut.“
Poet und Lektor zuckten zusammen, als aus der Glut der brennenden Beedi ein kleines Feuer entstand.
© Toni Gau 2022-08-25