Bay mir bistu scheyn

Maria Büchler

von Maria Büchler

Story

Im Luzerner Seniorentanzkurs erlernten wir den Charleston zum Song „Bei mir bist du schön“. Meine Gedanken blieben an der seltsamen Grammatik des Titels hängen, und daheim befragte ich das Net.

Während des Dritten Reiches sangen auch die Nazis begeistert dieses Lied. Zur selben Zeit waren die Juden unerwünscht, sie wurden zu Millionen misshandelt, enteignet, vertrieben und ermordet. Wie passt das zusammen?

1932 schrieben die beiden Amerikaner Sholom Secunda und Jacob Jacobs ein jiddisches Musical, dessen Titel lautete: „Man könnte leben, aber sie lassen uns nicht“. Ahnten sie bereits die furchtbaren Vorgänge, die sich kurze Zeit später ereigneten?

Dem Musical war nur eine Saison im Rolland-Theater in New York gegönnt. Darin wurde der Song „Bay mir bistu sheyn“ als Liebespaar-Duett geboten. Das Stück geriet zur Pleite, aber diese Musiknummer gefiel einem Verlag und wurde für 30 Dollar gekauft.

Vier Jahre später wurde aus dem Song ein flotter Swing. Für die europäische Version geriet der Titel aber fehlerhaft, denn korrekt übersetzt bedeutet er: Du bist für mich die Schönste, oder der Größte, oder einfach: Du bist großartig.

Eine Schallplatte der Andrew Sisters brachte das Stück über den großen Teich. Niemand stellte eine Verbindung zu den Juden her, denn die deutsche Version wurde ab 1938 von der Schwedin Zarah Leander gesungen, die beim Regime gut angeschrieben war. Sie war nur eine von vielen Interpretinnen und Interpreten im Lauf der Zeit, unter denen sich Nina Hagen, The Manhattan Transfer, Bette Midler, Max Raabe, auch die Jazz Gitti und sogar die Punkband Sisters of Mercy befinden.

Die drei amerikanischen Schwestern mit griechischen und norwegischen Wurzeln waren damals noch völlige Nobodys, und das spätere Evergreen wurde lediglich als B-Seite einer Single veröffentlicht.

Es war erst die zweite Platte der Andrew Sisters, aber der Song wurde weltweit zu ihrem Erkennungszeichen. Nicht zuletzt wegen dieses Liedes erhielten sie als erste weibliche Vokalgruppe eine goldene Schallplatte.

So richtig in Deutschland bekannt wurde „Bei mir bist du schön” aber durch den Schweizer Teddy Stauffer und seiner Band, den Teddies. Mit dem jazzigen Musikstil bekam er jedoch zunehmend Ärger mit der Reichsmusikkammer, und 1939 kehrte er in die Schweiz zurück. Eine seiner fünf Ehefrauen war Hedy Lamarr. Diese hat übrigens eins der schönsten Grabmale auf dem Wiener Zentralfriedhof.

Das schweizer Musical „’s Margritli und d‘ Soldate“ bildet die Verbindungsbrücke von Teddy Stauffer zum Komponisten Artur Beul. Seiner Melodie „Nach em Räge schiint d’ Sunne“ gelang als einziger helvetischer Aufnahme der Sprung in die amerikanischen Charts.

Und dieser Artur Beul war mit Lale Andersen verheiratet. Ihr Lied „Lili Marleen“ ist ebenfalls eins der meistgehörten in der dunkelsten Zeit Europas. In Deutschland verboten, wurde es über den Soldatensender Belgrad allabendlich vor Sendeschluss um 22 Uhr gesendet.

© Maria Büchler 2020-11-20