von SophieMolloy
Bedenke wohl worum du bittest, denn es könnte dir gewährt werden – denn Satz hat irgendein antiker Philosoph gesagt. Und meine Mutter, ständig und gerne und vor allem zu mir. Ich habe ihn immer gehasst, diesen Satz. Warum sollte ich mich über das, was ich bekomme, aufregen, wenn es doch genau das ist, worum ich gebeten habe? Ist doch bescheuert. Tja und jetzt? Jetzt fühlte es sich so an, als wäre die standard Floskel meiner Kindheit aus ihrem kaum versiegelten Grab geklettert, um mir ein nasses Geschirrtuch ins Gesicht zu klatschen. Vielleicht sogar ein Geschirrtuch mit einem Backstein darin.
Jetzt sitz ich hier, im ersten Semester meines Medizinstudiums und könnte heulen. Ok, habe ich die letzten Tage auch viel gemacht – die kompletten Abende und die halbe Nacht, um ehrlich zu sein, und heute in der Anatomie Vorlesung sitze ich schon wieder mit feuchten Augen da und kann mich kaum auf die Epithelzellen konzentrieren. Ich habe Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um diesen Studienplatz zu bekommen, und über die vier Jahre meines Bachelorstudiums immer wieder an den Pforten der medizinischen Fakultät gekratzt, in der Hoffnung eines Tages durch diese Türen gehen zu können, und auch zu den schlauen Leuten in Weiß zu gehören. Tja, und jetzt habe ich das, was ich wollte und heule mich täglich in den Schlaf.
Ist das Studium interessant? Ja, zumindest ein Großteil der Themen interessiert mich tatsächlich.
Ist es mir zu schwer? Nein, stumpf auswendig lernen kann ich, zumindest darauf hat mich das bayerische Abi vorbereitet.
Jammer ich auf hohem Niveau? Definitiv.
Ich weiß wirklich nicht was bei mir falsch ist, aber jedes Mal, wenn ich den Hörsaal betrete, habe ich plötzlich meine alte Uni im Kopf, meinen alten Studiengang und eine ganz andere Art von Mensch, die mit mir in den Vorlesungen sitzt. Ich vermiss die Bücher und die Individualität der Studenten und ich vermiss das tatsächliche Denken.Ich will nicht nur stumpf auswendig lernen, ich will tatsächlich meinen Verstand anstrengen müssten. Ich habe mit wirklich allem gerechnet, aber nicht damit, dass ich mein altes Studium vermissen könnte.
Das kommt mir gerade echt erbärmlich vor. Ich habe das bekommen, was ich so lange wollte, wovon so viele Studenten träumen und bin so unglücklich wie schon lange nicht mehr. Oder: Fuck my life!Wie der gebildeter Generation-Z-ler sagt.
Naja, ich mach den Zirkus jetzt definitiv Mal ein Semester mit. Ich habe die Hoffnung, dass sich der Anfangs – Trouble noch legt und ich mich wirklich auf das Studium einlassen kann. Im Moment fühlt es sich eher so an, als hätte ich mein Herz verraten.
Und wenn es im nächsten halben Jahr nichts wird, mit mir und der guten Medizin?
Tja, dann wird´s wohl doch noch ein Master in Literaturwissenschaften. Welcher Taxifahrer hat schließlich nicht gerne im Lebenslauf stehen, dass er sein Medizinstudium für Internationale Literatur geschmissen hat? Dann betrachte ich die kleine Eskapade hier eben als eine Lektion in Demut.
© SophieMolloy 2023-04-14