Bedrohliches Shopping in Thessaloniki

Klaus Schedler

von Klaus Schedler

Story

Thessaloniki ist eine faszinierende Stadt. Nicht nur wegen der Geschichte, sondern auch wegen der Vitalität des modernen Lebens mit seinen bunt zusammengewürfelten Traditionen und Kulturen. Ich hatte früher beruflich regelmäßig dort zu tun und bin immer in einem kleinen, zentral gelegenen Hotel abgestiegen. Es lag nicht weit entfernt von der Egnatia, der Hauptverkehrsader der Stadt, die nur wenige 100 Meter von der Kaimauer entfernt sich über fast die gesamte Länge der Bucht erstreckte. Dort gab es in erster Linie exquisite Modegeschäfte und Restaurants, doch schon in den Querstraßen wurde alles Mögliche angeboten. Ich bin mir sicher, dass sich in diesem Drunter und Drüber eines riesigen Angebots alles und jedes erwerben ließ, sofern man wusste, wo es zu finden war. Doch mein Hotelportier konnte auch hier helfen und half gerne.

Böse Zungen sagen den Griechen nach, dass sie ungeordnet, ja sogar chaotisch seien. Freilich kann beim Bummeln durch die Gassen leicht dieser Eindruck entstehen, wenn unmittelbar neben einem Imbiss im Nachbarbetrieb Mopeds repariert werden, ein Kupferschmied und Metalldrücker in seiner Werkstatt laut hämmert oder schlachtfrisches Hammelfleisch angeboten wird. Als Chaos erscheint all dies nur uns Unwissenden, während der Grieche dies als gegebene Ordnung kennt und anerkennt.

Im Jahr 1994 sollte ich für meinem Jüngsten in Thessaloniki ein paar Schuhe besorgen. Nicht irgendwelche, sondern die sogenannten „Doc Martins“ waren damals der letzte Schrei. Ich bat den Portier um Hilfe und er versprach, sich schlau zu machen. Schon am nächsten Morgen hatte er den Tipp: Die Egnatia mündet westlich in die Monastiriou ein und wenn man den Bahnhof hinter sich gelassen hatte, begann linke Hand ein Markt und dort könne man mir gewiss weiterhelfen.

Am Abend machte ich mich auf den Weg und tatsächlich, da waren auch schon Verkaufsstände mit für meine Begriffe höchst merkwürdigen Waren, die sich noch am ehesten als Militaria bezeichnen ließen. Ich erkundigte mich und wurde weiter ins Innere des Marktes geschickt, wobei mir nicht entgehen konnte, dass das Warenangebot immer bedrohlicher wurde. In dieser martialischen Umgebung fühlte ich mich überhaupt nicht wohl und vermutete hinter jedem Verkäufer einen wehrbereiten Waffenschieber. Auch dachte ich daran, dass damals nur ein paar 100km entfernt im ehemaligen Jugoslawien ein Krieg geführt wurde und mir wurde immer mulmiger. Dennoch bemühte ich mich, mir nichts anmerken zu lassen. Endlich fand ich die richtigen Stiefel, zahlte nach nur kurzem Handel einen erstaunlich geringen Preis und begab mich erleichtert zurück in die bequeme Atmosphäre meines Hotels. Noch heute bin ich mir sicher, dass ich damals dort auch 6 Handgranaten eine Kalaschnikow und 2 Glocks bekommen hätte. Schlimmstenfalls hätte ich eine Lieferzeit von 2 Tagen in Kauf nehmen müssen.

Was aber hätte ich mit 6 Handgranaten, einer Kalaschnikow oder den Glocks anfangen sollen?

© Klaus Schedler 2020-02-14

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