von Mira_Solis
Wir schweigen. Er zieht an seiner Zigarette und bläst den Rauch in die Luft. Ein Laster, das er nie aufgeben konnte.
Für mich war es Teil des Erwachsenwerdens, dem Rauchen zu entsagen und seither habe ich es immer als Schwäche angesehen. In gewisser Weise stecke ich jedoch selbst noch in meiner Jugend fest, also mag ich es an ihm gar nicht bewerten.
Ich drehe meine Kaffeetasse herum. Nicht einmal die Hälfte habe ich getrunken, denn ich fühle mich unruhig und fürchte, dass das Koffein das Ganze noch verschlimmern könnte.
»Weißt du«, setzt er schließlich an und ich bemerke die Vertrautheit seiner Stimme. Einen Moment lang will ich ihn nicht ansehen, ihm nur lauschen und mich vergewissern, dass wir uns kennen. Es ist schließlich fünfzehn Jahre her.
»Ich finde nicht, dass du da hingehörst«, er unterbricht sich, um noch einmal an seiner Zigarette zu ziehen. Ich bemerke, dass es ihm genauso unangenehm sein muss, mir ins Gesicht zu blicken, denn als ich ihn ansehe, schweift sein Blick zufällig zur Zigarette. Er klopft etwas Asche vom Glimmstängel. Das war gar nicht notwendig. »Du passt da einfach nicht rein«, führt er weiter aus.
Der Wind fährt mir durchs Haar. Ich streiche mir eine lästige Strähne hinters Ohr und ärgere mich, dass ich nicht das volle, dicke Haar meiner Familie habe, das jedem Wind und Wetter trotzt. Aber immerhin sieht man nun meinen Ohrring. Er kann gar nicht wissen, dass er neu ist.
»Zwischen Kopierern und Schreibtischen, da gehörst du nicht hin«, wiederholt er sich, »Ich hätte dich da nie gesehen. Das bist nicht du.«
Ich atme einmal tief durch. Die Ambivalenz dieser Situation ist mir irgendwie unangenehm und doch lässt sie mich ein wenig lächeln. Da sind diese völlig fremden, dunklen Augen, an die ich mich nicht erinnern kann, die mich aber besser zu sehen scheinen, als alle anderen. Der Blick wird etwas forschender, als würde er sichergehen wollen, dass ich auch der richtige Mensch bin, zu dem er diese Worte spricht: »Ich kann dir nicht sagen, wo genau ich dich sehe. In irgendetwas Kreativem, Freischaffendem. Selbstständig, denke ich. Etwas, das deiner Leidenschaft entspricht.«
Ich nicke zustimmend, möchte das Thema aber nicht weiter vertiefen, denn ich hadere schon seit Jahren mit mir. Was ist nur aus dem Mädchen mit den vielen Träumen geworden?
Für die nächsten Worte nehme ich meinen ganzen Mut zusammen: »Ich freue mich, dass wir uns sehen.«
Nun nickt er wiederum zustimmend, lächelnd und wir hüllen uns erneut in Schweigen, das irgendwie angenehm ist. Mein Blick schweift hinüber zum geschäftigen Treiben der Einkaufsstraße.
»Warst du neugierig?«, frage ich mit ehrlichem Interesse, obwohl ich die Antwort darauf bereits kenne. Aber ich hoffe auf etwas mehr.
»Ja«, bestätigt er und einen Augenblick lang scheint es, als würde er es dabei belassen, ehe er ergänzt, »Und bislang gefällt es mir sehr gut. Du bist nicht mehr dieses traurige Mädchen.«
Wieder eine längere Pause. So leicht ihm diese gnadenlose Ehrlichkeit beim Sprechen auch fallen mag, scheint er sich doch erst dazu durchringen zu müssen. »Als hättest du eine völlig neue Seite an dir entdeckt. Einen Funken. Es ist schön, zu sehen, dass es dir gut geht. Auch wenn die berufliche Situation noch nicht passt. Aber ich denke, auch das wirst du lösen.«
© Mira_Solis 2025-01-20