Begegnungen mit Menschen

Wenn du spazieren gehst, anstatt mit dem Auto zu fahren, begegnest du Menschen, die auch spazieren gehen. Tatsache! Viele davon sind ältere Menschen, die gerne stehen bleiben, um sich ein wenig zu unterhalten. Wenn ich Zeit habe, genieße ich diese kleinen Pläuschchen, die sich da ergeben, und spüre die Dankbarkeit der Menschen, die endlich eine Zuhörerin gefunden haben. Sie haben viele Geschichten zu geben, ihr Leben war schon lang, und selten hört einfach mal jemand zu! Ich halte die Ohren offen und mein Herz! Da gibt es immer etwas zum Staunen . . .

Wieder stehe ich nahe bei meinem Haus auf der Straße und komme nicht weiter. Ich habe gegrüßt und gelächelt und das war meine Einladung für ein Gespräch! Immer näher kommt der alte Mann an mich heran. Er regt sich auf, weil er so viel zu sagen hat, dass es lange nicht reicht nur heute ein wenig Zeit für ihn übrigzuhaben. Er ist mir fremd, aber er lebt in derselben Stadt. Seine wichtigste Geschichte ist die, in der er seine Frau im Urlaub vor dem Ertrinken gerettet hatte. Sie waren noch jung und er zerrte sie aus den Wellen, die sie überrascht hatten. Während er sich anstrengte, sie aus dem Wasser zu bekommen, stand eine ganze Traube Urlauber oben an den Klippen und sah besorgt zu. Ob er es schaffen würde?

Im Hotel feierten sie ihn dann als Lebensretter, aber er war schüchtern und wollte lieber nicht vor allen Menschen auffallen! Als er aber im Speisesaal auf die Bühne gebeten wurde, war das sein großer Heldenmoment, den er nie vergessen wird! Er hatte seiner Frau an diesem Tag das Leben gerettet! Die goldene Medaille, die es vom Amt für Lebensrettung und besondere Heldentaten gibt, hat er aber nie abgeholt. So viel Aufsehen war ihm zu viel! Immerhin sollte es doch selbstverständlich sein, seine Frau zu retten! Wer dumme Witze über die Ehe macht, den versteht er nicht. Seine Frau ist die Beste und auch wenn es manchmal schwierig ist, man hält eben zusammen!

Ich friere und sein Bus kommt gleich. Als ich mich verabschiede, bedankt er sich fürs Zuhören.

Diesen Dank habe ich auch neulich gehört, als ich einen Mann an zwei Stöcken überholen wollte und doch in ein Gespräch geriet. Da standen wir dann und ich hörte zu, wie er seine Krankengeschichte aufrollte. Er war schmal und ausgezehrt, hatte früher aber über 100 Kilogramm und mehrere schwere Operationen hinter sich, die er wie durch ein Wunder überlebte. Seine ganzen Organe hatten aufgegeben und die Ärzte meinten, er würde es mit seinem schweren Diabetes nicht mehr machen. Dann hat er sein ganzes Leben umgestellt, ist zum Wanderer geworden und geht nun jeden Tag, so viel er kann.

Auch in der Arbeit bleibe ich oft stehen und höre einfach einmal zu. Nicht nur Patienten, auch ihre Angehörigen haben viel zu sagen über die Nöte mit der Pflege und ihre Sorgen. Das lassen sie gerne bei mir! Ich höre zu. Dann gehe ich weiter und behalte diese berührenden Begegnungen in meinem Herzen. Es sind alles wertvolle Menschen-Geschichten, von Angesicht zu Angesicht.