von Daniela Neuwirth
gibt es neuerdings Still-BHs, Versace wurde unansehnlich, bei Ralph Lauren gehen die – aber wirklich immer noch und wieder stilvoll gekleideten – Models in Zeitlupe. Die meisten Riegen führen diese kranken Hadid-Klappergestelle an, die angeblich täglich zur Blutwäsche oder so etwas in der Art müssen, weil sie einen körperlichen Defekt haben, als gäbe es nicht tausende, junge, hübsche Frauen, die auf den Laufsteg wollen.
Die Shows von Fendi und Balenciaga sind so futuristisch geworden, als wären wir schon im Mond- und Marszeitalter gelandet, der Hüftschwung wurde abgeschafft. Die meisten “neuen” Models weiblicher Natur stampfen vor sich hin wie Roboter, der Blick zum Fürchten. Bei Balmain sehen die Gewänder aus, als wären sie einer Kohlegrube in Arbeitstracht entsprungen, Michael Kors setzt auf jahrzehntelange Beständigkeit, sexy, elegant und gleichbleibend nach dem Motto “Never change a winning Horse”, doch seine Schneider bräuchten dafür nur die Entwürfe der ersten Jahre reproduzieren.
Armani setzt auf Schachbrettlaufsteg, die Models sind asiatisch mager, Schnitte und Farben aus den 80ern. „Aber Chanel hat sich Leichtigkeit beibehalten?“ freut sich Lilly an diesem Sonntag Vormittag, dessen Atmosphäre mit blauem Himmel und satter Sonnenwärme in der Luft, über die abhanden gekommenen Badetemperaturen hinwegtäuscht.
Bei Chanel laufen die Model mit natürlichem Haar und sogar dem einen oder anderen Lächeln den Sandstrand entlang. Sie tippt auf die Fernbedienung. “Oh, ist das eine Sommershow?“ Farbe, die Jäckchen, Kettchen, Täschchen, Gürtelchen wie immer, manche Outfits könnte man sich auch mit Kick-Ein-Euro-Ware zusammenstellen.
Gucci spielt trübes Chello, bringt Frauen in Herrenanzügen, die über den Catwalk stolpern, dass man nicht mehr weiß, ist es Frau oder Mann. Strapse unter Pelz wie direkt aus St. Pauli, unförmiger Tweed und Männer in Kasperle-Klamotten. Ein Asiate trägt Schwimmhaube aus Strick, die Hose des schwarzen Models ist zu kurz und die Vokuhilas ausgefranst, der Glatzige hat Rennhandschuhe zu Pelz und übergroßer Tasche mit der er höchstens den Tageseinkauf nach Hause transportieren könnte.
Es gibt rote Baskenmützen auf Männerköpfen, der rechte Ärmel fehlt am Sakko, übergroßes Karo zu Muster, Orden auf Westwood-Sakkoschnitten, Männer in Röcken über blauen Trainingshosen, Metallkrawatten auf Buchhalterhemden, Männer in Frauentops und Ohrringen, Frauen dürfen inzwischen dick und klein sein, Männer sind dagegen am Abmagern, untragbar alles – eins nach dem anderen. “Wenn ich Opas alte Anzüge auftragen würde, sähe es stylischer aus. Wer bitte designt bei Gucci? Das ist ja grauenhaft.” lacht sie.
Blumarine läuft im Dunkeln, die Models sehen den Laufsteg nicht unter ihren viel zu hohen Schuhen. Sie wackeln blind vor sich dahin. Lilly schwingt sich in den eigenen pinken Satin-Morgenmantel, konsultiert die Küche um sich erst mal ein Glas frisches, kühles Wasser zu gönnen.
© Daniela Neuwirth 2022-09-11