Es nicht kommen sehen

”Es geht nicht. Ich kann einfach nicht zu Hause bleiben”, dachte sie. “Grade heute nicht!” Und sie entschloss sich, trotz der fürchterlichen Nacht, doch ins Büro zu fahren. Irgendetwas hatte sie erwischt. Was hatte sie nur falsches gegessen? Schon die ganze Nacht war ihr schrecklich übel und ein paar mal wäre sie beinahe zu spät ins Badezimmer gelangt.

Mit einem wunden Halskratzen und einem üblen Geschmack im Mund öffnete sie ihre Bürotüre. Sie hörte den Chef schon, wie er die Sekretärin nach ihr fragte.

“Ich komme!” rief sie über den Gang.

Minuten später rollte sie die großen Pläne auf seinem Konferenztisch aus. Sie standen Seite an Seite und beugten sich über die Zeichnungen. Ihr Magen grummelte ob dieser Körperhaltung heftig.

”Hier, genau hier. Sehen sie, was ich meine?“ Er deutete auf eine Stelle auf dem Plan. “Das sollten wir überdenken! Da muss eine Alternative her! Meinen sie nicht auch?”

”Sehe ich genauso. Das ist so nicht zulässig. Aber einfach wird das nicht. Der Architekt sagt, bevor….” Sie schluckte ein paar mal.

”Was ist? Was haben Sie?”

”Gar nichts, danke. Alles in Ordnung. Ich wollte sagen, bevor nächste Woche die ersten Teile angeliefert werden, sollten wir dafür sorgen, dass…”

Sie drehte umgehend auf dem Absatz um, hielt sich mit einer Hand den Mund zu und riss mit der anderen die Türe auf. Sie rannte wie eine Besessene den Gang hinunter. Dass der Weg zum Waschraum so lange dauern konnte! Aber sie hatte es geschafft.

Kurz das Gesicht gewaschen und den Mund gespült. Zurück ins Chefbüro, es konnte weiter gehen.

”Was ist denn mit Ihnen los? Wieso rennen Sie aus meinem Büro wie von der Tarantel gestochen?” fragte der Chef mit weit aufgerissenen Augen.

”Es tut mir leid, mir war schon die ganze Nacht sehr unwohl. Ich musste mich grade sehr beeilen. Das kommt sehr plötzlich. Ich habe das nicht kommen sehen.”

”Aha!” sagte er verständig nickend. “Na, da bin ich ja nur froh, dass ich hier auf meinem Tisch auch nichts habe kommen sehen!”

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