von JaneStone
Wie sagt man dem Menschen, den man liebt, dass man ihn betrogen hat? Ich hatte 36 Stunden Reisezeit mir darüber Gedanken zu machen.
Auckland – Brisbane: Mir fällt nichts ein
Brisbane – Kuala Lumpur: Immer noch nichts
Kuala Lumpur – Dubai: Mein Herz rast, aber nichts
Dubai – Hamburg: Panik-Modus
Gleich würde ich Ben nach einem Jahr endlich wieder in die Arme schließen können. Doch was der schönste Moment sein sollte machte mir einfach nur Angst. Auf Distanz konnte ich vielleicht lügen, aber in echt? Wie soll ich ihm je wieder in die Augen sehen? Er hat mich gehen lassen, als seine feste Freundin, als Jungfrau. Er hat mir vertraut. Ich komme wieder und bin eine andere. Doch wie sagt man jemandem: “Ich hatte Sex mit einem Jungen aus der Senior Class, den ich eigentlich gar nicht kenne und kann mich nicht mal dran erinnern.” Wie sage ich das, dem Menschen, den ich so sehr liebe? Der immer nur gut zu mir war? Der mich ansieht, wie das schönst Mädchen auf der Welt. Der mich auf Händen trägt? Der ein ganzes Jahr auf mich gewartet hat?
Ben steht hinter der Schiebetür mit einem Strauß Blumen in der Hand. Ich beachte meine Eltern nicht und werfe mich zitternd in Bens Arme. Er hebt mich hoch und vergräbt sein Gesicht in meinen Haaren. Ich atme seinen Duft ein und fühle mich endlich wieder ganz. “Ich habe dich so sehr vermisst.“, flüstert er mir ins Ohr. Ich kann das jetzt nicht kaputt machen. Ich will das jetzt nicht kaputt machen. Ich liebe ihn. Er liebt mich. Warum soll ich das wegen einer Dummheit aufs Spiel setzen? “Ich dich auch.”
Ein paar Wochen später fährt Ben mit mir und meiner Familie in den Urlaub in die Provence. Wir haben ein großes Haus mit Pool. Eine der Nächte schleichen wir uns raus und laufen zu dem Bach in der Nähe. Wir liegen auf weichen Decken, haben einen Mitternachtssnack dabei und beobachten den unglaublichen Sternenhimmel über uns. Er sieht genau so aus wie der Sternenhimmel in Neuseeland.
“Ich komme mir klein und unbedeutend vor.”, gestehe ich Ben und kuschele mich noch tiefer in seine Armbeuge. “Du bist nicht unbedeutend. Du bist das Wichtigste in meinem Leben.”, antwortet Ben und küsst mich. Seine Lippen sind weich und fest zugleich auf meinen. Ich schmecke Weintrauben und Zitronenlimonade. Ich richte mich auf und küsse ihn fordernd zurück. Gebe ihm zu verstehen, dass ich mehr will. Ich setze mich auf ihn. Er zieht mir das Kleid aus und ich ihm das T-Shirt. Unsere Haut schimmert weiß in dem hellen Mondlicht. Seine Hände sind zärtlich, drängen mich zu nichts, doch ich kann spüren, wie erregt er ist. “Ich liebe dich“, wispert er mir ins Ohr. “Ich dich auch.”
Ich werde immer diese Nacht als mein richtiges erstes Mal in Erinnerung behalten.
Wir sind heute immernoch zusammen. Ich habe es ihm nie erzählt. Dass er nicht der Erste war. Nicht der Einzige. Ich weiß nicht, wie oft ich die Lüge “Ja, er war der Erste und Einzige” schon ausgesprochen habe. Jedes Mal muss ich an den anderen denken. Jordan. Dieses Geheimnis wird immer ein Teil von mir sein.
© JaneStone 2021-02-27