Ben, der Rattenkönig

Araldo Campana

von Araldo Campana

Story

Ratten, überall! Sie strömen aus ihren Löchern und versammeln sich zu Scharen. Sie folgen ihrem König, er heißt Ben und dieser will den Menschen nichts Gutes. Mit unheimlichem Quieken stürzen sich die grauenhaften Viecher auf ihre Opfer, von denen bald nichts mehr übrig ist…

Gebannt saß ich damals mit wohligem Grausen vor dem Fernsehgerät. Der Horrorfilm „Ben“ war ab 16 Jahren freigegeben. Jetzt hatte ich Bilder im Kopf, die man als Zwölfjähriger wohl besser nicht im Kopf haben sollte.

Mein Zimmer befand sich damals im Keller und so machte ich mich nach dem Ende des Films allein auf den Weg dorthin. Licht im Stiegenhaus anschalten, hinunter steigen, Licht im Kellergang anmachen. Herauf gehen und Licht im Stiegenhaus ausschalten. Hinuntergehen, Zimmer aufsperren, Licht im Zimmer anmachen. Zurück zum Ganglichtschalter gehen, das Licht ausmachen, zurück ins Zimmer, zusperren und – endlich – fertig. Ja, so war die Prozedur damals, erst später hat mein Vater das mit dem Licht besser installiert.

Ratten, überall! Sie strömen aus ihren Löchern und versammeln sich zu Scharen. Sie folgen ihrem König, er heißt Ben und dieser will mir nichts Gutes. Mit unheimlichem Quieken stürzen sich die grauenhaften Viecher auf mich.

Aaaah! Was war das? Aus dem grausigen Rattentraum schrecke ich schweißgebadet hoch. Da war doch gerade etwas am Zimmerfenster! Jetzt höre ich es wieder, ein Scharren und Kratzen. Verdammt, da will eine Ratte in mein Zimmer herein. Ich reiße an der Schnur des Bettlichts, stürze aus meinem Bett zum Tisch, der vor dem Fenster steht, beuge mich nach vor und drücke durch den dunkelgrünen Vorhang hindurch gegen das gekippte Fenster. Da springt hinter dem Vorhang etwas auf den Tisch, dann auf den Boden und ich sehe einen kurzen Schwanz unter dem Bett verschwinden. Ich fasse es nicht und halte mich am Tisch fest. Mir wird richtig schlecht vom massiven Herzschlag. Was jetzt? Was soll ich bloß tun? Eine Ratte sitzt unter meinem Bett!

Zur Beruhigung streiche ich mit der Hand über eine Falte meines Pyjamas. Wie kriege ich die Ratte da raus? Ich bewaffne mich mit einem Besenstiel und fasse mir ein Herz. Langsam bücke ich mich und blicke unters Bett. Zwei feurige Augen glänzen mir entgegen. „Miau!“ Was bin ich erleichtert als ich diesen Laut höre. Keine Ratte! Kein Ben! Boris, der Nachbarkater!

Ab diesem Zeitpunkt war mein Kellerzimmerfenster in der Nacht immer geschlossen. Danke, Ben, du Rattenkönig!

© Araldo Campana 2020-06-23