Bereit für das echte Leben?

Thomas Paar

von Thomas Paar

Story

Zeit war nicht der einzige, aber der stärkste Faktor bei alldem. Im Hintergrund arbeiteten viele winzig kleine Zahnräder, die immer alles dafür gaben, das Uhrwerk am laufen zu halten. Diese lange Zeit war begleitet von Pleiten, Pech und Pannen. Viele Tiefen und Negativerlebnisse reihten sich nahtlos aneinander. Ich war nie ein guter Schüler. Bereits ab der Hauptschule machte sich das bemerkbar. Dennoch hatte ich mir in den Kopf gesetzt, die HAK bei uns in Weiz zu besuchen. Durch die Unterstützung von allen Seiten und einem im Nachhinein nicht nachvollziehbaren Kraftakt, hatte ich nach fünf Jahren HAK und insgesamt 14 Schuljahren die Matura in der Tasche. Nach 14 Jahren in einer geschützten Umgebung mit einem klar festgelegten Tagesablauf und vorgegebenen Aufgaben, fühlte ich mich nicht nur leer und vor den Kopf gestoßen, sondern eigentlich ratlos. Was nun? Durch meine doch recht stark ausgeprägte soziale Ader war es ein Leichtes, mich für den Zivildienst zu entscheiden. Nach dieser erneuten doch geregelten und fest vorgeschriebenen Zeit, wurde ich dann ins echte Leben >>entlassen<<. Es dauerte nicht lange, um zu merken, dass die tatsächliche Realität nur wenige Gemeinsamkeiten mit meinem bisherigen Leben teilte. Doch das traf es auch nicht wirklich genau. Wenn ich heute an diese Zeit denke, merke ich, dass diese Tatsache ein Fakt ist. Miet- oder Kaufverträge unterschreiben. Den Steuerausgleich machen. Simples Kopfrechnen sowie Mengenangaben beim Einkaufen oder verschiedene Angaben beispielweise beim Kochen. Noch heute gibt es Dinge, bei denen ich meine Eltern um Hilfe bitte, wenn ich selber keine Ahnung habe. Durch die Matura hatte ich zwar eine kaufmännische Ausbildung und auch den Unternehmerschein. Doch auf den ganz einfachen Alltag wurde man nicht wirklich vorbereitet. Passenderweise fällt mir da ein Gespräch mit einem damaligen Professor ein. Dieser sagte mir, dass wir mit viel Glück etwa zehn Prozent vom gelernten im >>tatsächlichen Leben<< brauchen werden. Die Realität sah meines Erachtens noch viel ernüchternder aus. Im Nachhinein würde ich sogar soweit gehen, dass mich mein neunmonatiger Zivildienst besser auf das echte Leben vorbereitet hat, als der Rest. Das ist selbstverständlich nur meine Ansicht, aber dennoch sehr aussagekräftig.

© Thomas Paar 2022-05-22

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