Bernstein

Eine unserer Reisen mit dem Wohnmobil führte uns an die Ostsee. Wir waren überrascht und fasziniert von diesem Teil Europas. Bei Sehnsucht nach Sonne und Meer dachten wir bisher immer nur an Italien, Kroatien und Griechenland oder an andere Länder am Mittelmeer. Die Ostsee ist aber ganz was anderes, hat einen eigenen Charme und eine besondere Atmosphäre. Wir besuchten berühmte Städte, wanderten entlang an endlos scheinenden Stränden, wo gleich daneben die weißen Kreidefelsen sich senkrecht erhoben, suchten lange den begehrten Bernstein und haben keinen einzigen gefunden. Die findet man, wenn man Glück hat, nach den Winterstürmen, klärte man uns auf.

Wir “eroberten” auch Inseln. Eine davon war Fehmarn. Diese Insel hat uns besonders gut gefallen und bei einem Bummel durch ein Städtchen las ich auf einer Informationstafel, dass man im Rathaus gratis Bernstein schleifen lernen und diesen dann zu Schmuck verarbeiten kann.

Zu dem angegebenen Zeitpunkt waren wir dort. In einem Raum durften wir uns aus einem großen Angebot Bernsteine aussuchen, so viele wir wollten. Da diese aber nach Gramm abgerechnet und bezahlt werden mussten, wollten wir dann nicht mehr ganz so viele. Wir erwarben nur einige schöne Stücke und machten uns an die Arbeit. Unter Anleitung begannen wir mit grobem Schleifpapier, dann mit immer feineren. Schließlich polierten wir die Schmucksteine mit Zahnpasta auf Hochglanz. Nach unseren Wünschen wurden dann Löcher gebohrt und kleine Ösen befestigt. So entstanden Schmuckstücke, die zu Hause dann sehr bewundert wurden und den meine Frau sehr gerne trägt. Es sind ja auch alles beeindruckende Unikate.

Wieder daheim: Es war an einem der unwirtlichen Tage, den uns die Eisheiligen oft bescheren. Das Wetter zwang mich förmlich im Haus zu bleiben und eine längere Zeit vor der “Glotze”, sprich Fernseher, zu verbringen. Das ist kein großartiges Vergnügen, da die Sender versuchen, sich in Serien, Talk-Shows und mit billigen Filmen an Stumpfsinnigkeit zu übertreffen. Nachrichten schau ich nicht gern, sie sind mir zu manipulativ. Und warum müssen die Moderatoren immer so schreien!

Also suchte ich Dokumentationen und Naturfilme. Zufällig erhaschte ich einen kurzen Bericht, in dem erzählt wurde, dass in einem Land, ich weiß nicht mehr wo, die Männer Bier mit Bernsteinpulver trinken, denn das stärkt ihre Manneskraft. Ich hatte in meinem bisherigen Leben noch kein Interesse an pharmazeutischen und anderen Voodoo-Substanzen.

Provokant fragte ich meine liebe Gattin: „Hast du das gehört?“

„Ja, na und?“, fragte sie und fügte nach einer Pause hinzu: “Muss ich jetzt um meinen Bernstein-Schmuck fürchten?”

Was denkt meine Frau von mir! Den Schmuck, den wir gemeinsam mit Eifer und Freude erschaffen haben, werde ich doch nie…niemals…

Oder soll ich doch heimlich etwas Pulver abschleifen, natürlich nur aus reiner wissenschaftlicher Neugierde und vielleicht auch aus Rache für ihre freche Bemerkung von vorhin? Soll ich?