Beschwerdebrief an die Liebe

Anna Theresa Schreiber

von Anna Theresa Schreiber

Story

Liebe Liebe,

du weißt, dass ich einmal in dich verliebt war? Ja, nun lachst du. Wer war es denn nicht?

Und gerade wir Schriftsteller*innen neigen dazu, eine unverhĂ€ltnismĂ€ĂŸige Begeisterung fĂŒr dich zu empfinden. So als seist du die Lösung all unserer Probleme, die Antwort all unserer Fragen, gar der Sinn des Lebens!

Höre ich dich hinterhĂ€ltig lachen? Nun, ich weiß, dass du unter falschem Namen agierst. Ich habe dich durchschaut. Du bist nĂ€mlich nur die Anhaftung. Die echte, die wahre Liebe wĂŒrde sich nicht einmischen, sie bleibt von allen Anfechtungen unberĂŒhrt, denn sie ist bedingungslos, immer gut und mitfĂŒhlend – nicht wie du! Es stiftet enorme Verwirrung, dass ihr euch in unserer Sprache einen Begriff teilt. Du hast das eingefĂ€delt, nicht wahr? Du willst dich doch nur mit fremden Federn schmĂŒcken, du VerrĂ€terin!

Aber ich weiß, wer du bist! Du kannst sehr großzĂŒgig sein, Freudentaumel auslösen – aber du bist fies und verschlagen!

Und die Menschen, die du mir vorsetzt, die du mir empfiehlst – willst du dich so sehr ĂŒber mich mokieren?! Sobald ich mich einmal in der Lage sehe, einen Menschen wahrhaft zu lieben, friedlich und ohne Erwartungen, tauchst du auf und mischst dich in die Angelegenheit. Aber was du mir vorsetzen willst, ist absurd und war es schon immer. Nicht die Menschen, die du ins Spiel bringst – sie können nichts dafĂŒr, was du mit ihnen planst, sondern die Art wie du sie bewirbst. Und doch bin ich oft auf diesen Schwindel hereingefallen. Deine Argumentationslogik ist so bestechend – aber ich wette, sie beruht auf FehlschlĂŒssen! Dann sorgst du auch noch dafĂŒr, dass mich andere Menschen in meiner Haltung zu dir lĂ€cherlich finden – egal ob ich dich zurĂŒckstoße oder deinem Ruf folge.

Du ruinierst mein Leben immer genau dann, wenn ich nichts SpektakulĂ€res erhoffe, den Moment lebe und gelassen meine Lebensziele verfolge. Da kommst du mit deinen Lockungen. Du bist wie die Werbung. Nein, schlimmer. Fragst mich, ob mir denn nicht langweilig sei. Doch, doch. Erst willst du mir BĂŒcher, Filme, Lieder verkaufen. Dann zeigst du mir die schönsten Bilder. Anschließend stellst du mir Menschen vor und erzĂ€hlst, sie seien wunderbar aufregend. Sie wĂŒrden noch in meinem Leben fehlen. So redest du mir ein, ich wĂ€re unglĂŒcklich (obwohl wir beide wissen, dass das nicht stimmt).

Du sanktionierst mich mit negativen GefĂŒhlen, wenn ich nicht tue, was du von mir verlangst. Das Leben ist leer und glanzlos, sobald du wieder deine Launen hast, urplötzlich deine Schirmherrschaft unterbrichst und mich allein mit einer fremden Person lĂ€sst, die du mir einmal empfohlen hast. Doch hast du jemals ein Versprechen gehalten? WĂŒrde ich mich denn jetzt beschweren, wenn sich je eine GefĂŒhlsinvestition bei deinem Unternehmen gelohnt hĂ€tte?

Hochachtungsvoll,

eine frĂŒhere Verehrerin

P.S. : Nimm dir endlich ein Beispiel an der bedingungslosen Liebe, du elende Amateurin! Es lebe das MitgefĂŒhl!

© Anna Theresa Schreiber 2021-04-06

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