von Anna Lina
Ich wollte immer eine beste Freundin haben.
Eine Person, die für mich da ist und die mir alles anvertraut, eine Person, für die ich genauso wichtig bin wie sie für mich, mit der ich über alle reden und auf die ich mich verlassen kann.
Ich wollte genau das immer so sehr, doch ich habe diesen einen Menschen lange nicht gefunden.
Ich hatte keine beste Freundin, mit der ich über meine allerersten Erfahrungen mit Jungs besprechen und über meine Eltern lästern konnte. Ich habe keine Übernachtungspartys gefeiert und nächtelang durchgequatscht, ganz leise, damit die Eltern nichts mitbekommen. Ich war nie zum Mittagessen bei meiner besten Freundin zuhause und wurde von ihren Eltern behandelt wie ein zweites Kind.
Ich habe meine beste Freundin erst mit 16 kennengelernt. Bis heute war ich nie bei ihr zuhause, und ihre Eltern kennen zwar nicht meinen Namen, aber unsere Verbindung könnte trotzdem nicht enger sein.
Obwohl wir nicht zusammen durch die Pubertät gegangen sind, werden wir zusammen erwachsen.
Ich hab ihr nicht von meinem ersten Kuss erzählt, nicht von meinem ersten Liebeskummer oder davon, wie ätzend meine Eltern sind.
Wie haben über Zukunftsängste, Alleinsein und Leistungsdruck geredet.
Über Träume und über Pläne, die dann plötzlich gar nicht mehr so weit weg waren.
Wir haben uns nie wirklich gestritten, weil wir schon kommunizieren konnten, als wir uns kennengelernt haben und wir wissen ganz genau, was die andere gerade braucht.
Ich habe mich immer so sehr nach einer Freundin, wie sie eine ist, gesehnt, und natürlich hätte ich sie gern früher kennengelernt, aber wahrscheinlich hätten wir uns damals nicht einmal so gut verstanden, weil wir noch Kinder waren.
Wir sind zwar immer noch lange nicht erwachsen, aber gemeinsam sind wir auf einem guten Weg dahin. Einem gemeinsamen Weg.
© Anna Lina 2024-08-30