von Ludwig Rendl
Es war Ende 1944 oder ganz am Anfang 1945. Bruder Richard war im Wehrertüchtigungslager zur Soldatenvorbereitung in der Buchau am Achensee einberufen. Meine Schwester Burgi und ich machten uns zu Fuß auf den Weg, um ihn zu besuchen. Unsere Mutter hatte für ihn einen Laib Früchtebrot gebacken. Den sollten wir ihm bringen. Wir gingen von „Unterbrunn“ zum Bahnhof nach Brixlegg. Dort waren zufällig auch die „Hochmuth Anna“ und „Wastl Marie“. Ihre Brüder Andreas und Toni waren ebenfalls in der Buchau. Der Zug sollte fahrplanmäßig um halb neun abfahren. Vom Lautsprecher kam eine Durchsage: „Der Zug aus Rosenheim hat eine Stunde Verspätung“. Rosenheim wurde bombardiert, mit Schäden an den Geleisen. Was nun? Eine Stunde warten. Um halb zehn wieder eine Durchsage: „Der Zug hat noch eine Stunde Verspätung“. Die drei Mädels – interessantes Detail, alle drei 1930 geboren – haben beraten. Der Zug könnte noch einmal Verspätung haben. Deshalb einigte man sich darauf, dass man zu Fuß auf der Landstraße nach Jenbach geht. Dort hatte die Anna Bekannte. Die haben uns zwei Rodeln ausgeliehen, damit wir auf dem Heimweg herunterrodeln konnten. Wir sind den Kasbach hoch gewandert. Zum ersten Mal sah ich den Achensee in meinem Leben, zu dieser Jahreszeit fast zugefroren. Der Richard war über unseren Besuch und das Brot sehr erfreut, und hat etwas mit seinen Kameraden geteilt. Der Besuch war kurz, wir mussten ja wieder nach Jenbach. Über die Kasbachstraße sind wir gerodelt. Von Jenbach bis Brixlegg hat es dann mit dem Zug geklappt, wo es dann wieder zu Fuß bis „Unterbrunn“ hochging. Schuhe und Bekleidung waren anders als heute. Den Brotlaib habe ich im Rucksack getragen. Er wog vielleicht 1 ½ Kilogramm. Ich war damals 11 Jahre alt. Keine schlechte Leistung, wer würde es heute noch als Elfjähriger schaffen, rund 30 Kilometer Fußmarsch und fast 1.000 Höhenmeter zu absolvieren? Die eigentliche Pointe dieser Geschichte zum Schluss: „Wir sind mit den Fahrkarten in der Hosentasche flott von Brixlegg nach Jenbach marschiert!“ Gott sei Dank musste unser Bruder Richard nicht mehr einrücken. Im Mai 1945 erklärte die Deutsche Wehrmacht die Kapitulation.
Bombenangriffe auf Brixlegg
Ludwig Rendl erinnert sich noch aus seiner Kinderzeit an die Bombardierung der Eisenbahnbrücke in Brixlegg gegen Ende des Krieges. Es war eine schöne Brücke mit mehreren Bögen aus Kramsacher Marmor. Beim ersten Angriff war gerade „Gertrud-Markt“. Kurz nach Mittag kamen Flugzeuge aus Richtung Loderstein angeflogen, insgesamt drei Staffeln. Drei Wochen später hätte der erste Zug wieder über die Brücke rollen sollen. Knapp davor flogen doppelrumpfige Tiefflieger einzeln im Sturzflug über „Daxer“ am Zimmermoos heulend Richtung Brücke, warfen ihre Bomben ab und zogen auf der anderen Seite wieder hoch. Die Brücke wurde wieder schwerbeschädigt. Hitler hatte am 20. April Geburtstag. Das musste man damals wissen. Deshalb kann ich mich noch genau erinnern, dass am Tag zuvor die Brücke wieder bombardiert wurde. Große Teile Brixleggs wurden fast vernichtet. Vier Brückenbauarbeiter haben sich in „Unterbrunn“ versteckt. Als der Krieg aus war, haben sie uns verlassen. Es waren Rheinländer. Einem schenkte Vater seinen Hochzeitsanzug.
© Ludwig Rendl 2025-05-04