von Lilly Rose
Du hast gesagt, du würdest noch auf ein Glas Wasser mit hochkommen.
Ich war nicht mehr nervös und mein Bein zitterte nicht mehr. Wir saßen beide, mit dem Rücken an der Wand gelehnt, auf meinem Bett. Wir fingen an zu reden. Ich redete. Du redetest. Weißt du noch worüber wir geredet haben? Ich nur noch so halb. Es war auch nicht wichtig. Ich weiß noch, dass wir über deine Schwester geredet haben und du erzählt hast, dass sie jetzt in die Schule kommt. Ich hab dir von Bobbi erzählt und von meinem Papa.In der Nacht hab ich deine Stimme das erste Mal richtig gehört. Nicht nur unabsichtlich wahrgenommen, sondern auch verstanden. Ich hab gehört, wie du bestimmte Wörter betonst und bestimmte Buchstaben aussprichst.
Wir haben auch viel gelacht. Leise gelacht. So einfach gelacht. Ich kannte dich schon so lange, aber in dem Moment fühlte es sich anders an. Vielleicht sind wir älter geworden. Vielleicht brauchten wir uns einfach in dem Moment, vielleicht hatten wir uns vorher auch nie wirklich gekannt.
Der Mond war irgendwann durch das Fenster zu sehen, sowie die Sterne. Bis diese langsam verschwanden und ein heller strich, an den Dächern, der Häuser in der Ferne erschien. Bald würde die Sonne wieder aufgehen. Du hast mich gefragt, ob du hier schlafen kannst, weil du zu Müde warst, um noch nach Hause zu fahren. Ich hab ja gesagt und dir eine Jogginghose von meinem Vater geholt. Ich hab dir auch eine neue Zahnbürste gegeben.
Ich mochte das Bild, der zwei Menschen im Spiegel, die ihre Zähne putzen. Du gingst ins Zimmer zurück und zogst dich um. Meine Haare hab ich zu einem Zopf zusammen gebunden und versuchte den Staub, der langen Nacht, mit Wasser von meinem Gesicht zu waschen.
Irgendwann hat sich der Himmel aufgehellt und du hast dich neben mich ins Bett gelegt. Ich war gar nicht müde, nicht ein bisschen. Ich hab dir die dünne Sofadecke gegeben, da ich nicht wusste, was es bedeuten würde, wenn wir uns eine teilen.
Wir waren Freunde. Das waren wir immer gewesen. Vielleicht sogar weniger als Freunde. Aber was waren wir genau in dem Moment gewesen?
Wir haben weiter geredet. Über unsere Lieblingsfarben und über das Wort Angst. Irgendwann hast du deinen Arm unter meinen Kopf gelegt. Ich hab nach dem Buch gegriffen, welches auf meinem Nachtisch wartete und öffnete eine bestimmte Seite. Das Buch war der kleine Prinz und das Kapitel, welches ich dich bat vorzulesen, war jenes über den Laternenanzünder. Erinnerst du dich? Der Laternenanzünder.Ich hab meinen Kopf dann auf deine Schulter gelegt und dir dabei zugehört, wie du die Wörter, die ich am Abend zuvor gelesen hatte, vorlast. Deine Stimme hat vibriert oder vielleicht lag das auch daran, dass mein Ohr auf deinem Körper lag.
Irgendwann hab ich gespürt, wie du deinen Kopf an meinen gelehnt hast und innen drin hab ich gelächelt. Wir sind beide nicht eingeschlafen. Die ganze Nacht waren wir wach gewesen und hatten geredet. Bis die Sonne aufgegangen war und noch weiter. Das war die Nacht. Das war meine Lieblingsnacht.
© Lilly Rose 2022-07-20