Bewerbung im Regen

S. Pomej

von S. Pomej

Story

Immer, wenn Petrus gussartig Wasser vom Himmel schĂŒttet, fĂ€llt mir eine unliebsame Episode meines Lebens ein: Ich bereite mich morgens auf ein BewerbungsgesprĂ€ch vor, studiere noch einen Folder der Firma, ĂŒberlege mir meine Kleiderwahl, frisiere und schminke mich wie fĂŒr ein Rendezvous, schnall mir die Uhr ums schlanke Handgelenk, stopfe meine Unterlagen in die Tasche, wĂ€hrend im Radio der Wetterbericht fĂŒr heute Regen verspricht. Ein Blick aus dem Fenster straft ihn LĂŒgen: blauer Himmel & Sonnenschein! Naja, typisch! Also kein Schirm vonnöten, hĂ€tte auch gar nicht in meine Tasche gepasst. Eilig stĂŒrme ich zur U-Bahn, fahre ein paar Stationen → Störung! Oje, NervositĂ€t ĂŒberfĂ€llt mich: wird sich das ausgehen? Doch nach 11 Minuten fĂ€hrt der Zug schon wieder, ich steige aus und eile mit hohen AbsĂ€tzen ungelenk die Stufen hoch, hinaus ins Freie und erspĂ€he schon die erste graue Wolke: sollte der Wetterfrosch doch recht haben? Der Fußweg dauert noch ca. eine Viertelstunde, ich renne! Besser zu frĂŒh als nass dort ankommen → Zack, kippe mit dem linken Fuß um und fĂŒhle stechenden Schmerz im Knöchel. Heute scheint mein schwarzer Tag zu sein. Aber ich, tapfer wie ein Gimpel, hĂŒpf halt weiter, nur noch 5 Minuten, das schaff ich. Der Fuß schwillt an, meine Mimik verrĂ€t Passanten Leiden, doch keiner fragt: Soll ich Sie stĂŒtzen? Der erste Tropfen plumpst auf meine schöne Frisur, ich denke: Das geht sich aus! Der Gedanke ist verflogen, da fĂ€llt Regen. Meine Frisur ist hinĂŒber, die StrĂ€hnen verteilen sich quer ĂŒber mein gepeinigtes Gesicht, die Wimperntusche verlĂ€uft, meine Bluse wird durchsichtig, der Fuß schwerer, aber ich erreich den Portier.

„Tag, ich hab einen Termin um 8.30!” – “Oh, wollen’S sich vorher abtrocknen?” – “Nein, dazu ist keine Zeit. Wenigst sieht der Chef, dass mich nichts & niemand aufhalten kann!” – “Er sieht auch, dass Sie kan Schirm haben!” – “Der Wind hat ihn umgedreht!”, lĂŒg ich frech, wisch mir per Taschentuch die Pandaaugen ab.

Mit hĂ€mischem Grinsen telefoniert der Portier, um mich beim Chef anzukĂŒndigen, legt dann auf und sagt: “Tut mir leid, aber der Chef ist noch nicht im BĂŒro.” – “Ach, hat er den Termin vergessen?” – “Davon weiß ich nichts. Möglich, dass er durch den Regen aufgehalten wurde.” – “Aha, sehen Sie, ICH bin halt zuverlĂ€ssig.” – “Und nass!” “Falls er nicht kommt, kann mich ja die ChefsekretĂ€rin empfangen”, schlag ich vor. Doch der Kerl schĂŒttelt den Kopf. “Nein, das Personal sieht er sich selber an. Gehen’S doch derweil aufs Damen-WC und nutzen den HĂ€ndetrockner als Föhn.” – “Danke, das ist eine gute Idee.”

Auf der Toilette repariere ich meinen Wasserschaden so gut es geht, sehe wieder halbwegs reputierlich aus und humple zum Portier zurĂŒck. “Ist der Chef schon da?” Wieder dieses KopfschĂŒtteln. Geduldig warte ich noch eine Stunde im Foyer, ehe die SekretĂ€rin zu mir kommt. “Tut mir leid, aber Herr X (den Namen hab ich vergessen) ist verhindert. Kommen Sie morgen um dieselbe Zeit.” → Ging lieber ins Spital!

© S. Pomej 2021-07-14

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