Bier, Tschick und Musik

Lisa Zauner

von Lisa Zauner

Story

Ich lasse mir Feuer geben und nehme einen tiefen Zug von der Zigarette. Ich weiß nicht, das wievielte Bier das in meiner Hand ist. Ich spüre, wie alles locker wird und ich endlich wieder durchatmen kann. Entspannen. Seit über fünfzehn Jahren hat sich in dieser Bar nichts verändert und genau deshalb bin ich heute hier. Seit Wochen habe ich alles so fest im Griff, dass ich manchmal vergesse zu atmen und jetzt Magenschmerzen habe. Hier kennt man mich mit Namen und in jedem Seinszustand.

Was mir sonst sehr peinlich ist, ist mir heute nur recht. Die letzten zwei Jahre war hier nicht viel, umso erstaunter bin ich über die vielen Leute heute. Ich sage mindestens fünf Menschen „Hallo“, die ich schon mein halbes Leben lang kenne. Die Gespräche hängen in der Luft wie Seifenblasen. Jedes zerplatzt, bevor ich es mir merken kann. Ich lache und nicke eifrig.

Ich wackle ein bisschen hin und her beim Jacke-Anziehen. Ich lache wieder und werfe dabei übertrieben den Kopf zurück.

Draußen angekommen wird mir Feuer und Zigarette angeboten und ich ziehe gierig den Rauch in meine Lungen. Ein paar Sterne kann ich von hier aus sehen. Ich schwebe vor mich hin, lächle ins Nichts und sage, „Prost“ wenn die anderen es auch sagen. Alles locker. Gut geht’s mir. Jemand drückt mich und sagt mir, dass er sich freut, mich zu sehen. Ist das nicht schön? Endlich trifft man sich wieder zufällig. So wie früher. Lass uns doch noch ein Bier bestellen. Wie spät ist es? Wir lachen entspannt. Egal, wie spät. Keine Sperrstunde heute. Die Musik ist immer noch die, die sie immer war. Ein verrückter Dorfmix aus Austropop, Gigi D’Agosti no, Rolling Stones und Helene Fischer. Ich drehe auf dem Barhocker und werfe die Hände in die Höhe. So viel habe ich schon lange nicht mehr gelacht.

Während ich mich um mich selbst drehe und grundlos vor mich hin lache, denke ich, wie gut ich im Funktionieren bin. Ich kann das so gut, dass ich gerade so bemerke, wie beschissen das ist. Wo sind die ganzen spontanen Abende hin, wo ist der Rausch hin und die Liebe? Anscheinend habe ich das laut gesagt.„Kum, gemma rauchen.“ Ich mag die Art hier, mit solchen Fragen umzugehen.

Während ich wieder einen Tanz mit der Jacke aufs Parkett lege, beginnt im Hintergrund Wanda zu spielen. Seit langer Zeit habe ich wieder das Gefühl, genau da zu sein, wo ich sein soll. Während ich mit dem Reißverschluss kämpfe, singe ich mit Marco Wanda, „wenn jemand fragt, wohin du gehst“. Ich ziehe den Zip zu und zeige mit dem Zeigefinger auf mein geduldig wartendes Gegenüber: „Sag nach Bologna“.„Kann i nu a Tschick haben?“ „Sicher.“ Meinen Kopf an die andere Schulter lehnend sage ich dankbar, „des nächste Bier geht auf mi.“ Ich habe zwar keinen Cent eingesteckt, aber das brauche ich auch nicht. Man kennt mich hier mit Namen.

Und bevor wir zur Tür rausgehen, singe ich noch so laut ich kann: „Wenn jemand fragt, wofür du stehst,“„sag Amore“

Und mindestens drei Leute wiederholen: „Amore!“

Nicht Bologna, aber meine Stadt.

© Lisa Zauner 2022-08-25