von Lea Beschorner
Wir sitzen draußen beim Italiener und warten schon viel zu lang auf unser Essen. Ob es in Ordnung für mich ist, dass wir hier hingehen, hast du zur Sicherheit zehnmal gefragt, bevor wir die Wohnung verlassen haben. Du würdest immer alles dafür tun, dass ich mich nicht unwohl fühle.
Obwohl es Anfang Juni ist, wird es ziemlich kühl, wenn die Sonne nicht mehr da ist. Ich wickle mir die Decke um meinen Körper und schlage ein Bein über das andere. Als ich aufschaue, merke ich, dass du deinen Blick nicht von mir abwendest. Du schaust mich so verliebt an, dass ich mich einerseits geschmeichelt, aber andererseits schlecht fühle.
Als du mich vor zwei Wochen gefragt hast, ob ich dich heiraten möchte, habe ich einfach Ja gesagt. Ich wusste gar nicht, ob ich es will, weil ich nie darüber nachgedacht hatte. Die Zukunft macht mir seit Jahren einfach nur Angst, sodass ich jeden Gedanken an sie meide. Was ich aber wusste: Dass ich nicht Nein sagen möchte. Und was bleibt mir dann noch übrig, außer Ja zu sagen?
Am liebsten würdest du sofort mit mir ein Haus bauen und zwei Kinder bekommen. Wir würden heiraten und zusammenbleiben, bis wir alt sind. Es würde keine zwei Monate dauern, da hätten wir einen Hund und ein großes Auto, in das alle hineinpassen.
Ich bin jetzt Ende Zwanzig und rational betrachtet ergeben all diese Sachen Sinn. Normalerweise sind das die Schritte, die man in meinem Alter gehen kann. Jahrelang war ich davon überzeugt, dass mich dieses Leben glücklich machen würde, aber jetzt, wo es soweit ist, bin ich mir alles andere als sicher, ob ich das noch möchte.
Ich kann mich nicht überwinden, dir all das zu sagen. Bei dem Gedanken an deine leuchtenden Augen, wenn du über unsere gemeinsame Zukunft sprichst, bricht es mir das Herz, dir die Wahrheit zu beichten.
An meiner Seite habe ich den liebsten Menschen, den ich je kennengelernt habe und der alles für mich tun würde. Warum kann ich nicht auch alles für ihn tun? Ich habe das scheinbar perfekte Leben, für das so viele Menschen alles geben würden. Aber das einzige, was ich tun möchte, ist davor zu flüchten.
»Woran denkst du?«, fragst du mich. Kurz erschrecke ich mich, weil ich so in meine Gedanken vertieft war.
»Ach, nichts«, sage ich. »Nur daran, was für ein Kleid ich auf der Hochzeit tragen möchte.«
© Lea Beschorner 2022-03-27