von Christine Föger
Fotografie war seinerzeit etwas Exklusives. Man ging zu besonderen Anlässen in das Fotoatelier und wurde umrahmt von Requisiten in strammer Position abgelichtet. Auf diesen Schwarz-Weiß-Fotos unserer Vorfahren war man ausstaffiert mit Anzug und Festtagskleidung. Der Fotograf retuschierte nicht Vorteilhaftes aus dem Bild!
Die Freundin meiner Mutter hatte in den 1940er Jahren privat eine Kamera. Nach dem Fotografieren ging es in die Dunkelkammer, wo die Fotos entwickelt und den Freundinnen gleich übergeben wurden. Das war eine Rarität.
Ich bin mit dem Fotografieren groß geworden. Mein Vater hatte oft seinen Fotoapparat dabei und drückte bei unzähligen Momenten unseres und seines Lebens ab. Mit seiner einzigen Kamera hielt er lebenslang Kriegserlebnisse und Familienfeste, Urlaubserinnerungen und Landschaftsmotive fest. Spannend war der Moment, wenn er die Fotos heimbrachte. Man wusste ja meist nicht mehr, was auf dem Film alles drauf war.
Der Kauf meiner Rollei 35 S vom ersten Geld war mir ein Fest. Ich habe sehr viel fotografiert, Alben vollgeklebt, Texte dazu geschrieben und immer gern das Objektiv auf besondere Einzelheiten und Situationen gerichtet. Aber waren das wirklich so viele Fotos, die damals entstanden sind?
Alles ist relativ im Leben.
Wir leben im Zeitalter der Digitalfotografie. Das ist eine Errungenschaft und fotografieren kostet scheinbar wenig. Man braucht ein Handy und einen Finger, schon ist das Bild am Smartphone und später noch zusätzlich auf dem PC. Das Foto kann beliebig gestaltet und kreativ eingesetzt werden. Fotos sind alltäglich, ja sogar Massenware geworden. Wir sind gefordert. Wie soll man sich in der Menge noch merken, welche Schätze man per Auslöser geschaffen hat? Wo “liegt” welches Foto am PC?
Sind Digitalfotos wirklich günstig oder zahlen wir doch einen hohen Preis?
Die deutsche Bundeszentrale für politische Bildung verlegt die kostenlose Zeitschrift “fluter”. In der aktuellen Ausgabe “Müll” wird auch der Datenmüll durch Fotos thematisiert. Der Preis, den wir für Unmengen gespeicherter Daten, davon etliche Fotos, zahlen, sind vollgestopfte Rechenzentren, Firmen- und Privatrechner und Clouds. Die Fotos landen auf vielen weiteren Smartphones der erweiterten Bekanntschaft, denn „teilen“ ist modern.
Betrifft uns das?
IT-Experten sprechen von “Dark Data”, einem großen ökologischen Problem. Der bereitgestellte Speicherplatz braucht enorme Mengen Energie, deren Herstellung CO2 ausstoßt. Je mehr gespeichert wird, desto energieintensiver wird die Hardware und desto mehr CO2 wird produziert. Die Erde schwitzt! Sehr!
Soll man nun nicht mehr fotografieren? Nein, diesen Genuss muss man sich nicht absprechen lassen. Die Menge macht es! Für sorgfältige Motivauswahl statt Dauerknipsen, für Einschränkung beim Weiterleiten und für regelmäßiges Aussortieren von Fotos und Dateien, dafür kann ich mich jedoch – unserem Klima zuliebe – glühend erwärmen.
© Christine Föger 2022-01-08