Bin ich authentisch? Eine Spurensuche

Christa Mittermayer

von Christa Mittermayer

Story

Bis vor wenigen Tagen war ich der Meinung, authentisch zu sein. Doch dann bekam ich das Buch von Erich Schilling “ Authentizität – Karriere einer Sehnsucht ” in die Hände und begann zu lesen. Alles stellte sich auf den Kopf. Ich wusste bisher nicht, wie schwierig es ist, authentisch zu sein, es gibt zum Beispiel eine subjektive, eine intersubjektive Authentizität, Authentizität als Konstrukt……….usw So .Ich beschäftigte mich dann mit der Frage : “Wie wird man, was man ist ? ” So lautet ein Kapitel. Schilling beginnt mit Nietzsche. Da resignierte ich und beschloss, mich auf mich selbst und meine Darstellung von Authentizität zu besinnen, bevor ich – wie Nietzsche – mit der Frage nach Wahrheit und Subjekt in den Wahnsinn getrieben würde. So machte ich es mir einfach. Ich entschied für mich , sowohl Trump wie auch Putin wären völlig authentisch. Vor einiger Zeit hatte ich versucht, die Sprache von Trump zu zergliedern – es gab keine Gliederung! Die Wörter – immer dieselben -sein Wortschatz beschränkte sich auf 20 bis 30 Wörter!!! Das heißt, sein Denken entspricht seinen Nachrichten – siehe Twitter – der logische Schluss: Trump ist authentisch. So ging ich auch auf Putin zu: seine Denkweise, verhaftet im 19. Jahrhundert, vom KGB im 20. Jahrhundert geprägt, Russland muss wieder groß, imperial werden -am Krieg haben alle anderen schuld- nur er hat recht, entspricht seiner Persönlichkeit – er ist authentisch. Somit sind beide, meiner Meinung nach, Trump wie Putin, die größte Gefahr für freies Denken, Demokratie und Frieden.

Doch zurück zu mir, auch ich zweifle oft an mir. Einerseits versuche ich möglichst friedliebend zu sein, doch andererseits gibt es Situationen , wo ich ausraste. Eine Situation in der Schule: Mein Landesschulinspektor, wir verstanden uns gut, wollte eine junge Lehrerin besuchen (kontrollieren) -die Folge: sie war krank gemeldet! So besuchte er mich-unangemeldet- in meiner letzten Stunde vor der Notenkonferenz in meiner 7. Klasse. Unpassend! Unterricht gab es keinen, ich wollte meine Noten mit den Schülern in Ruhe besprechen, vielleicht fehlte noch eine Hausübung usw. Ich reagierte auf diesen Besuch gereizt, die Folge war – die Schüler auf mich, die Stunde lief schief. Wut packte mich , ich stürmte aus der Klasse und ließ meinen Inspektor mit den Schülern allein!

Nun kann man sich die Frage stellen: Warum beherrschte ich mich nicht ? Antwort: Ich weiß es nicht! Übrigens : Mein Inspektor entschuldigte sich bei mir. Friede war hergestellt! Wann bin ich nun authentisch? Wenn ich friedlich bin oder wütend? Wenn ich nicht verzeihen oder sogar bösartig sein kann? Ich glaube, die Widersprüche auszuhalten, ist das Problem. So überlasse ich meiner Umgebung, mir zu sagen, wer ich bin? Aber auch das kann hinterfragt werden, was mache ich, wenn ich mit meinen negativen Seiten konfrontiert werde ( ich kenne wahrscheinlich nicht alle). Ich weiß es nicht, da bin ich authentisch!!!

© Christa Mittermayer 2022-04-28