von Sim Steiner
Manchmal denke ich mir meinen Teil und bleibe dabei.
Manchmal erlebe ich Menschen, die zu gefühlt allem, was ich erzähle, ihre Meinung äußern. Oft mag ich aber bloß gehört werden (um durch mein Erzählen ev. selbst auf eine Lösung zu kommen), will aber keinen Ratschlag oder gar die Meinung des Gegenübers – zumindest nicht unaufgefordert.
Oftmals sind es jene, die viel öfter als ich aussprechen, was sie denken. Sie „sagen es einem gleich ins Gesicht“.
Aber was bezwecken sie damit? Geht es ihnen um ihr Ego und darum, sich selbst aufzuwerten? Oder geht es ihnen um ihr Gegenüber und darum, dem anderen zu helfen?
> Ist es bei Ersterem nicht doch geschickter, gewisse Dinge mit sich selbst auszumachen? Wir wissen immerhin nicht, wie unsere ausgesprochenen Gedanken auf andere wirken. Sind sie verletzend? Oder werden sie in ihrem „Dahingesagt-sein“ ohnehin nicht verstanden? In aller Welt herumzulaufen und jedem alles an die Nase zu binden, mit der gekonnten Ausrede „Ich bin ja nur ehrlich“, ist mitunter fragwürdig. Spricht dieses Verhalten überhaupt für Ehrlichkeit sich selbst gegenüber?
> Im zweiten Fall finde ich Ehrlichkeit mutig. Konstruktives Feedback ist im Normalfall wertschätzend formuliert und niemals gegen eine Person gerichtet. Die Motivation ist bestenfalls, die/den anderen aufzuwerten, sie/ihn zu pushen, das Potenzial quasi noch mehr zu entlocken.
Ziemlich eindringlich bekam ich unlängst von einem Bekannten zu hören, dass ihm ein Verhalten meinerseits auf persönlicher Ebene enttäuscht hatte. Ich schilderte meine Beweggründe, zeigte Einsicht und die Sache war erledigt. Er entschied sich dafür, das Ganze anzusprechen, um es klarzustellen. Er war ehrlich sich selbst und mir gegenüber. Er beschloss, mich mit seinen Gefühlen zu konfrontieren, ohne dass er zuvor mit anderen darüber geredet hatte. In unserem Fall war die Beziehungsebene schon gefestigt, was ihm das Gespräch mit mir erleichterte.
So können wir wohl jedem alles sagen, wenn wir dabei wertschätzend von uns und unserer Meinung sprechen, anstatt Dingen eine allgemeine Gültigkeit zu geben. Und wenn wir es für andere tun und nicht, um das eigene Ego aufzupolieren.
Ob ich unehrlich bin, wenn ich nicht alles ausspreche, was ich denke? Ich spüre es nicht so.
Manchmal wünsche ich mir aber mehr Mut, um einen in meinen Augen hilfreichen Rat oder eine aufschlussreiche Meinung auszusprechen – selbst wenn es Familienmitglieder, Freunde oder wen auch immer im ersten Moment irritieren oder herausfordern könnte, ja, wenn sie vielleicht sogar böse oder beleidigt reagieren. Gewisse Dinge sollen sie einfach wissen und was sie dann damit tun, ist ihre Sache. Ich bin mir sicher, dass sie jedoch spüren, wenn das Gesagte gut gemeint ist. Dann können sie es auch dankend annehmen, es ist dann wohl nur eine Frage der Zeit.
© Sim Steiner 2023-07-04