Bio-Hof zum Anfassen

allesachtsam

von allesachtsam

Story

„Um dich als Bio-Bauernhof zertifizieren zu lassen, musst du schon ein handfester Individualist sein!”, sagt die BĂ€uerin und schaut mich mit Nachdruck an. So viele Auflagen gibt es, und neue Produkte mĂŒssen die strenge QualitĂ€tsprĂŒfung durchlaufen.

Ich stehe mit einem HĂ€ferl fairem EZA Kaffee in der Hand in der KĂŒche des Bio-Hofes. Meine erste Erfahrung als “Wooferin”, oder eigentlich als “Work-Away-erin”. So Away bin ich zwar nicht, weil Salzburgerland statt Irland, aber darum geht es nicht. Ich will hautnah erleben, wo unsere Lebensmittel herkommen, wie sie gemacht werden, welche Arbeit dahintersteckt. Ich will keine Doku ansehen, ich will Teil der Doku sein!

Bei Ankunft erhalte ich einen Blaumann und eine Mistschaufel. Erste TĂ€tigkeit: Kuhmist wegkratzen und in die Rinne fĂŒr die GĂŒlle befördern. Per Anstupsen melde ich der Kuh meine RĂ€umungsaktion. Sie hat Hörner und viel Platz. MilchkĂŒhen werden Hörner oft grausam weggebrannt, damit mehr in den Stall passen und wegen der Verletzungsgefahr des Menschen, werde ich aufgeklĂ€rt. Das ist hier bewusst nicht der Fall. WĂ€hrend ich sĂ€ubere, regnet es Heu vom Heuboden. Der Heublumen-Dunst ruft meinen Heuschnupfen hervor. Ganz vergessen, dass ich den hatte bei diesem langen Winter. Der kalte April rettet mich. Es wird gemolken. KĂŒhe wie Ziegen. Ich bin nervös, darf die erste Ziege meines Lebens melken. Die Zitzen fĂŒhlen sich weich an. Das erste Tier schubst mich gekonnt mit dem Hinterteil weg, ich falle fast um mit meinem Sitz-Schwammerl. Die BĂ€uerin weist ein weiteres Tier zu. Dieses streikt, nachdem ich erfolgreich die ersten Spritzer Milch rauskitzle, und steigt in das warme weiße Gold hinein. Nun muss ich es betreten entleeren und sĂ€ubern. Zwei Versuche gibt es noch. Überfordert breche ich ab. WĂ€hrend die BĂ€uerin literweise geschĂ€umte, warme Milch im KĂŒbel sammelt, schaue ich staunend zu. Die Ziegen wollen die Person kennen, die sie anfasst.

Nach der Stallarbeit schieben die Bauern den großen Milch-Tank in die KĂ€serei. Am Hof wird Ziegen- und KuhmilchkĂ€se in feinster Manier hergestellt. Vormittags wird gekĂ€st. Ich darf ZiegenfrischkĂ€se mit KrĂ€utern veredeln und sehe tags darauf dessen Verkauf am stĂ€dtischen Bauernmarkt. Abends genießt die Familie KĂ€sevariationen mit selbstgebackenem Roggenbrot und selbstgetrocknetem KrĂ€utertee. Man ist weitestgehend autarker Selbstversorger. Alles, was sich verwerten lĂ€sst, wird verwertet. Es gibt kaum MĂŒll, keine Reste. Beim gemĂŒtlichen Essen nach getaner, harter Arbeit, wird wenig gesprochen. Kein lĂ€stiges Radio stört die Ruhe. Es duftet nach BergkĂ€se. Auf der Zunge zergeht gerade ein BlauschimmelkĂ€se und der milde WeichkĂ€se hat schon mein Interesse geweckt. Auf alle Fragen zur KĂ€seproduktion samt Kulturen erhalte ich bereitwillig Auskunft.

Die Bauern leisten ausgewiesene PioniertÀtigkeit in Sachen Slow-Food und leben Nachhaltigkeit nach bestem Vorbild. Ich freue mich schon auf morgen!

© allesachtsam 2021-05-02

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