von Lara Moritz
Dorothee Sölle (1929–2003) zählt zu den bedeutendsten protestantischen Theologinnen des 20. Jahrhunderts. Ihre Theologie war nicht nur eine akademische Disziplin, sondern eng mit ihrem gesellschaftlichen Engagement und ihrem persönlichen Glaubensweg verknüpft. In ihrer Theologie verband sie die politische Theologie, die Befreiungstheologie und die Mystik zu einer engagierten und praktischen Form des Christseins. Ihre zentrale Überzeugung – „Gott hat keine anderen Hände als unsere“ – bringt diesen Zusammenhang zwischen Glauben und sozialem Handeln prägnant auf den Punkt.
Dorothee Sölle wurde am 30. September 1929 in Köln als Dorothee Nipperdey geboren. Sie wuchs in einem liberalen, bildungsbürgerlichen Elternhaus auf.
Sölle wuchs während der Zeit des Nationalsozialismus auf und erlebte als Kind und Jugendliche die Schrecken des Krieges und die Zerstörung ihrer Heimatstadt Köln. Die Erfahrung des Krieges und der Holocaust hinterließen bei ihr eine tiefe moralische und geistige Prägung. Die Tatsache, dass die christlichen Kirchen während des Nationalsozialismus weitgehend geschwiegen hatten, wurde für Sölle zu einer zentralen Herausforderung für ihr theologisches Denken. Sie stellte die Frage, wie ein Christentum aussehen muss, das auf diese historischen und moralischen Katastrophen eine glaubwürdige Antwort geben kann.
Nach dem Abitur studierte Sölle in Köln und Freiburg Germanistik, Philosophie und Theologie. 1954 promovierte sie in Literaturwissenschaft mit einer Arbeit über Matthias Claudius. Bereits während des Studiums setzte sie sich intensiv mit theologischen Fragen auseinander und entwickelte ein wachsendes Interesse an einem politisch engagierten Christentum.
Sölle war von 1954 bis 1964 mit dem Künstler Dietrich Sölle verheiratet, mit dem sie drei Kinder hatte. Nach der Scheidung heiratete sie den evangelischen Pfarrer Fulbert Steffensky, der zuvor Benediktinermönch gewesen war. Mit ihm hatte sie eine weitere Tochter. Steffensky unterstützte Sölles theologische und politische Arbeit und teilte ihre Auffassung eines sozial engagierten und mystisch geprägten Christentums.
In den 1960er- und 1970er-Jahren wurde Sölle zu einer führenden Stimme der Friedens-, Frauen- und Umweltbewegung. Ihr Engagement für soziale Gerechtigkeit und gegen den Vietnamkrieg brachte sie in Konflikt mit der Amtskirche. 1968 begründete sie gemeinsam mit anderen die „Politischen Nachtgebete“ im Kölner Dom – eine liturgische Protestform, die den Zusammenhang zwischen Gebet und politischem Handeln sichtbar machte.
Von 1975 bis 1987 lehrte Sölle als Professorin für systematische Theologie am Union Theological Seminary in New York. Dort setzte sie sich intensiv mit der Befreiungstheologie und der feministischen Theologie auseinander. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland engagierte sie sich weiterhin aktiv in der Friedensbewegung und der Umweltbewegung. Dorothee Sölle starb am 27. April 2003 in Göppingen an einem Herzinfarkt während eines Vortragsbesuchs.
© Lara Moritz 2025-03-09