Bis ans andere Ende der Welt

Du fragst mich, ob dein Urlaub in Ordnung geht – du hast eine 3-wöchige weite Reise mit einem Freund geplant. Ja – ich finde es zwar schade, dass ich nicht mitkommen kann, aber ich werde dich nicht davon abhalten wegzufliegen. Ich gestehe dir alle Freiheiten zu, solange du weißt wo du hingehörst und dahin auch wieder zurückkommst.

Die Anspannung ist ein paar Tage vor deiner Abreise deutlich spürbar: Freunde und Familienmitglieder sind besorgt. Ich sehe die Bedenken in ihren Augen, die sie sich offenbar nicht laut auszusprechen trauen: „Wird er sie betrügen?“ „Hält sie das allein aus oder sitzt sie todunglücklich zuhause?“ „Wird sie ihm ständig nachtelefonieren und versuchen, ihn zu kontrollieren?“ „Hält ihre Beziehung das aus oder kommt es nachher zur Trennung?“ Du bist auch nervös, kannst in der Nacht vor dem Abflug nicht schlafen, versicherst mir nochmals deine Liebe. Ich weiß, ich vertraue dir, du hast mich noch nie enttäuscht. Bisher warst du immer ehrlich und verlässlich, hast mich immer mit Respekt und Wertschätzung behandelt – meine Liebe und mein Vertrauen zu dir reichen auch bis ans andere Ende der Welt.

Die erste Woche ohne dich vergeht wie im Flug, ich habe kaum Zeit nachzudenken. Du meldest dich jeden Tag über WhatsApp. Die 12 Stunden Zeitverschiebung sind ganz praktisch, immer so um 8 herum ist ein guter Zeitpunkt, der für uns beide passt.

Dann habe ich selbst 1 Woche frei und möchte ein paar Tage wandern. Da das Wetter nicht mitspielt, wird ein Thermenurlaub daraus. Ich genieße die Zeit allein – ich muss wieder zu mir selbst zurückfinden, nachdem ich in letzter Zeit zu sehr im Hamsterrad des Alltags gefangen war und oft nur noch für alle rund um mich herum funktioniert habe. Ich mache jetzt jeden Tag Sport und bekomme so wieder ein besseres Körpergefühl. Ich habe einen richtigen Motivationsschub – die Bewegung hilft mir auch, meine Bedürfnisse und die meines Körpers wieder besser zu spüren und einfach das zu machen, was mir gerade guttut.

Und schon ist die 2. Woche um, nun vermisse ich dich doch schon sehr, wir waren noch nie so lange getrennt. Doch ich weiß, dass du in Gedanken bei mir bist (nicht nur, weil wir teilweise wilde Fantasien austauschen, die wir zur Zeit nicht ausleben können). Es fühlt sich an, als ob du neben mir wärst und mich jeden Tag begleiten würdest. Drei Tage vor deiner Rückkehr bekommst du offenbar schon Heimweh – du schreibst mir, dass du weißt dass zuhause die beste Frau auf dich wartet – das rührt mich zu Tränen.

Nun bin ich angespannt, weil ich nicht genau weiß was geschieht, wenn du zurückkommst: Haben wir uns emotional voneinander entfernt? Werden wir gleich übereinander herfallen oder müssen wir erst wieder zueinander finden? Schaffe ich es dann, trotz des herausfordernden Alltags genug auf meine Bedürfnisse zu achten und diese auch dir gegenüber zu äußern? Ich beschließe, mein Herz immer für dich offen zu lassen und meine Gefühle besser zuzulassen. Dann wird unsere Bindung stärker sein als je zuvor.