von Thomas Eichinger
Listen to the rhythm of the falling rain
Telling me just what a fool I’ve been
I wish that it would go and let me cry in vain
And let me be alone again
Das Amselweibchen kommt seit ein paar Wochen täglich zweimal in meinen Garten. Einmal am Morgen, wenn die ersten Sonnenstrahlen den Tag einläuten und die Tautropfen an Blättern und Grashalmen wie Millionen winziger Brillanten glitzern und leuchten lassen, und einmal am frühen Abend, wenn die Sonne untergeht und die Grillen ihr nächtliches Gefiedel anstimmen. In aller Frühe blicke ich zum Fenster raus und sehe die Amsel, wie sie eine Zeit lang unweit vom Boden durch die Luft segelt. Ihre immergleichen Kreise ziehend späht sie auf das Erdreich unter sich herab. Behutsam, skeptisch, denn ihr Instinkt gebietet ihr, vorsichtig zu sein. Es droht keine Gefahr, gut. Schwerelos und federleicht wie ein Herbstlaubblatt gleitet sie hernieder und landet auf dem Rasen neben dem Teichlein. Mit hektischen Bewegungen dreht sie ihren Kopf. Hierhin, dahin, dorthin, denn vielleicht versteckt sich ja die Katzenbestie des Nachbarn im dichten Gebüsch, wo sie die Amsel bisher nicht entdecken konnte. Aber: Nichts. Nur die sanfte Stille eines jungen, unschuldigen Morgens. Die Amsel putzt, stolz wie die Dame, die sie ist, ihr dunkelbraunes Gefieder, bevor sie mit der Unbekümmertheit eines vergnügten jungen Mädchens mit einem großen Satz in das Teichlein hüpft. Sie flattert einige Male aufgeregt mit ihren Flügeln, offenbar ist das Wasser doch etwas kühler, als sie erwartet hat. Nach einigen Augenblicken aber hat sie sich scheinbar an die Temperatur gewöhnt und verweilt ein paar Minuten lang gelassen in ihrem Bad. Dann springt sie wieder aus dem Wasser, schüttelt ihren gefiederten Körper, um sich zu trocknen, breitet ihre Flügel aus und fliegt davon. Davon in die Freiheit und Ungewissheit eines neuen Tages. Und wenn die Sonne am Horizont untergeht und den Himmel in sein orangerotes Abendgewand hüllt, kehrt sie zurück und wiederholt ihr kleines Ritual.
An Regentagen kommt die Amsel nicht. In aller Frühe blicke ich dennoch zum Fenster raus und starre zwischen den hauchdünnen senkrechten Streben, die der dicht herabfallende Regen formt, hindurch, ob ich sie nicht doch irgendwo erblicke. Die einzelnen Regentropfen fallen auf die Wasseroberfläche des Teichleins und lassen dort Kreise entstehen. Dort Kreise und in meinem Innern Kreise, ein trübes Gefühl der Einsamkeit, das sich zum Rhythmus alter Lieder gleichmäßig in alle Richtungen ausbreitet. Und mir ist, als stünde die Zeit still.
The only girl I care about has gone away
Looking for a brand new start
But little does she know that when she left that day
Along with her she took my heart.
© Thomas Eichinger 2021-03-05