von Johanna Maurus
Mein Kopf pochte und dröhnte, als ich ein Auge vorsichtig öffnete. Es war fast hell. Der graue Himmel stach grell in meine zusammengekniffenen Augen, als ich mich von dem kalten Steinboden aufrappelte. Es war still. Getrocknetes Blut klebte an der Stelle, an der mein Kopf gelegen hatte. Mit schmerzverzerrter Miene griff ich mir an die Stirn. Und setzte mich auf. Ich konnte nicht realisieren, was gestern Nacht geschehen war. Es kam mir vor, wie ein grauenhafter Albtraum. Langsam sah ich mich um. Eingestürzte Häuser, verbrannter Schutt, Menschen am Boden. Körperteile in großen Blutlachen weit verteilt, ebenso Helme und Gewehre. Schwach bemühte ich mich, aufzustehen. Wo war Peter? Was war mit ihm passiert? Ich traute mich nicht, dorthin zu sehen, wo er das letzte Mal stand. Langsam senkte ich meinen Blick auf den Boden. Vorsichtig ließ ich ihn über das Kopfsteinpflaster wandern, bis ich die vertrauten, roten Locken am Boden sah. Peters Gesicht war bleich und sein Körper mit Blut bedeckt. Der Boden war wie unter meinen Beinen weggezogen, auf Knien fiel ich auf den rauen Stein und beugte mich über meinen leblosen, besten Freund. Tränen rannen mir über die Wangen, heftige Schluchzer durchrüttelten meinen ganzen Körper. „Peter“, schluchzte ich und presste mir erschrocken die Hände vor den Mund. Nein, nein, nein, nein, nein, nein, das konnte nicht sein. Das war alles ein schlimmer Alptraum. Gleich würde ich in meinem gemütlichen Bett aufwachen und mit dem fröhlichen Peter Karten spielen und lachen, so wie immer. Der Gedanke an ihn brachte mir nur noch mehr zum Weinen. Vorsichtig legte ich ihm eine Hand an die Wange. Sie war ganz kalt. Schluchzend kauerte ich elend über ihm, versuchte mich davon zu überzeugen, dass nichts davon real ist. Es fühlte sich an, als ob wäre ich in ein tiefes, schwarzes Loch hereingezogen worden. Einer der Menschen, der mir am allerwichtigsten auf der Welt war nicht mehr da? „Nein!“, schrie ich wutentbrannt und klammerte mich an ihm fest. Er konnte mich nicht verlassen, nicht mein bester Freund. Tränen tropften auf meinen Mantel und auf seine Wunden, vermischten sich mit dem Blut, rann herunter und versickerte im Boden. Meine lauten Schluchzer und Schmerzschreie schnitten durch die tote Stille des Marktplatzes. Einige Raben pickten am anderen Ende in Leichen. Ich erkannte Huber dort am Boden liegen. Kraft genug, um die Vögel zu vertreiben, hatte ich nicht.
© Johanna Maurus 2024-03-08