Black Soul

Nathalie Bieschke

von Nathalie Bieschke

Story
Oldenburg 2022 – 2023

Ihre Augen sind vor Überraschung weit aufgerissen und die vollen Lippen sind zu einem O geformt. Jegliche Farbe scheint aus ihrem Gesicht gewichen zu sein und jetzt spiegelt sich dort nichts mehr als blankes Entsetzen wider. WĂŒrde ich nicht vor Wut kochen, könnte ich mich ĂŒber ihren Anblick amĂŒsieren. „Ich frage Dich nochmal, wer bist Du und warum hast Du uns beobachtet?“ Dabei kann ich nicht verhindern, dass meine Stimme vor Zorn bebt. Ruhig, ganz ruhig. Ich versuche mir ins GedĂ€chtnis zu rufen, dass diese GefĂŒhle eigentlich nicht ihr, sondern meinem Bastard an Vater gelten. „Ich … also ich wollte nur …“ Nervös nestelt sie an dem Reißverschluss ihres Parkers. „Was wolltest Du?“, ich versuche meine Stimme sanfter klingen zu lassen. Sie schluckt schwer. Dabei fĂ€llt mir der Kontrast ihrer grĂŒnen Augen zu ihrem dunklen Haar auf. Ich nutze ihr schönes Erscheinungsbild, um meine Gedanken in eine andere Richtung zu lenken und mich dadurch schneller zu beruhigen. „Ich war spazieren und habe laute Stimmen gehört, deswegen bin ich stehen geblieben. Ich hatte nicht vor hier stehenzubleiben und euch zu beobachten, ich schwöre es!“, stottert sie hektisch. Dabei huscht ihr Blick immer wieder zwischen mir und dem Gehweg hinter sich, so als wollte sie jeden Moment die Flucht ergreifen. Mein Herzschlag beruhigt sich allmĂ€hlich. Ich glaube ihr. „Und?“ Ich schaue ihr in die Augen. „Und was?“ Verwirrt schaut sie mich an. „Hast Du etwas gehört?“, der Hauch eines LĂ€chelns umspielt dabei meine Lippen. „Eure WĂ€nde sind zu dick, ich konnte nichts verstehen.“ Ihre Wangen erröten leicht, als sie mir offen die Wahrheit verrĂ€t. Fuck. „Also ich gehe dann mal, sorry wegen … Na ja dem hier.“ Sie deutet mit beiden HĂ€nden zu mir und dem Fenster und wendet sich dann hastig zum Gehen. Ich will sie kennenlernen. Diese Erkenntnis erwischt mich mit so einer Heftigkeit, dass mein Herzschlag aufs Neue anfĂ€ngt sich rapide zu beschleunigen. „Wie heißt Du?“, rufe ich ihr hinterher. Mann hat sie es eilig, sie scheint wirklich schnell von hier weg kommen zu wollen. Lange kommt nichts und ich umklammere mit einer Hand das Gitter dieses elenden Tores, wĂ€hrend ich auf ihren RĂŒcken starre, der sich zĂŒgig von mir wegbewegt. Ich rechne schon damit, dass ich mir diese Information selber besorgen muss, aber dann dreht sie ihren Kopf doch noch zu mir um. „Eszra.“ Ich kann nicht sagen, ob sie ihren Namen gerufen oder bloß geflĂŒstert hat.  Unsere Blicke begegnen sich wieder mit so einer Kraft, dass es mir fast den Atem verschlĂ€gt. Eszra dreht sich wieder um und rennt jetzt beinahe. Und so urplötzlich wie dieses kaum zu erklĂ€rende GefĂŒhl in mir hochgekommen ist, so schnell ist es auch wieder verschwunden. Stoßartig atme ich aus. Was ist gerade passiert? Mein Wutausbruch scheint wie weggeblasen. Nachdenklich runzle ich die Stirn. So schnell habe ich mich noch nie beruhigt. Ich weiß gar nicht, was ich mir dabei gedacht habe in dieser Verfassung das Haus zu verlassen. Es hĂ€tte sonst was passieren können. Nein. Jemanden hĂ€tte sonst was passieren können. Ich hatte keine Kontrolle mehr. Und was, wenn ich diesem MĂ€dchen etwas angetan hĂ€tte? Schnell löse ich meine steife Faust von dem inzwischen verbogenen Gitterstab. Shit. Ich starre auf die deutliche Verbiegung.




© Nathalie Bieschke 2023-07-26

Genres
Romane & ErzÀhlungen, Science Fiction & Fantasy
Stimmung
Abenteuerlich, Emotional, Mysteriös
Hashtags