Blau machen

Michaela Hoehne

von Michaela Hoehne

Story

„Komm wir machen blau und fahren zu Mäcces“, sagt Sabine. Es Mittwoch, mitten am Tag. Jede von uns müsste eigentlich gleich zum jeweiligen Kurs. Aber da wir kurz vorm Abi stehen ist die Motivation entsprechend gering. Die Sonne scheint, Frühling liegt in der Luft. Ich allerdings zögere. Ich bin eigentlich die Artige, die am wenigsten Aufmüpfige.

Meine Eltern haben mich doch recht streng, wenn auch liebevoll, erzogen. Immer schön artig sein, bloß nicht auffallen, nicht anecken. Um des lieben Friedens willen. Deshalb war ich bisher in der Schule auch kaum auffällig, mache immer schön meine Hausaufgaben. Ok, die fallen mir auch meistens leicht. Bin eher brav im Unterricht und melde mich meistens fleißig. Einzige Ausnahme: ich frage andauernde, ob wir nicht etwas spielen können. Einmal habe ich es im Geschichtsunterricht so weit getrieben, dass Frau Görtz, deren Nippel man immer durch alle Oberteile sehen kann, mir tatsächlich mit einem Klassenbucheintrag gedroht hat. „Wenn du noch einmal fragst, ob wir spielen, dann trage ich dich ein!“, sie war richtig genervt. Eingeschüchtert war ich sofort wieder still. Im Nachhinein bereue ich das sehr. Was hätte wohl im Klassenbuch gestanden? Fragt andauernd, ob wir spielen?

Aber jetzt bin ich schon 18 und damit quasi erwachsen. Also wird es Zeit auch mal blau zu machen, das gehört schließlich dazu. Wir steigen zu viert in den alten, anthrazitfarbenen Opel Astra und düsen los. Fenster offen, laute Musik. Dank zahlloser Singstar-Abende können wir jedes Lied auf der Playlist mitsingen.

Wir fühlen uns erwachsen, verwegen und frei. Fahren durch den McDrive und bestellen wie immer unsere Lieblingssachen. Cheeseburger. Jede Menge Chicken Nuggets, aber nur mit Barbecue-Soße! Und natürlich McFlurry mit Smarties als Nachtisch.

Mit unserer Beute machen wir auf dem Weg zurück zur Schule noch eine City-Control Tour, was in unserer Kleinstadt keine drei Minuten dauert. Wir fahren durch die Bahnhofstraße, vorbei an den paar kleinen Geschäften und dem Schlossplatz, um den sich Cafés und Restaurants tummeln. Woher dieser seinen Namen hat, weiß keiner. Ein Schloss ist jedenfalls weit und breit keins zusehen. Links kann man immerhin oberhalb der Dächer die schöne Spitze der spätgotischen Basilika sehen. Keiner schenkt uns Beachtung, trotzdem kommen wir uns sehr cool vor.

Zurück an der Schule verspeisen wir unsere Beute auf den steinernen Treppen vorm Eingang des buttergelben Gebäudes. Der Himmel ist kornblumenblau. Der Rest unseres Lebens liegt vor uns.

© Michaela Hoehne 2022-07-17

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