von G.F. Stöger
1984 oder 1985? Das genaue Jahr entzieht sich meinen Erinnerungen (ich könnte googeln, aber das entzieht das Phantastische eben jenen). 24. Dezember steht am Kalender. Für ein Kind der längste Tag des Jahres, wenn – wie bei uns Tradition – das Christkind erst kommt, sobald sich Nacht über die Stadt gelegt hat. Am Nachmittag jedoch das erste Highlight – Papa geht mit mir ins Kino. Sehr schlau von meinen Eltern. Wenn Papa etwas Außergewöhnliches mit dem Töchterlein unternimmt, hinterfragt jenes natürlich garantiert NICHT, warum Mama daheim bleibt …
Welch große Freude beim nach Hause kommen … das Christkind war da und die Kerzen am Weihnachtsbaum mit den besonderen seidenfädenumwickelten Kugeln in unterschiedlichsten Farben hüllen das Wohnzimmer in magisches Licht.
Ob es das Jahr der Puppe oder der Matchbox-Autos war, fällt mir nicht mehr ein aber das DANACH!
An diesem Heiligabend wollten wir den Gottesdienst in der nahen Kellerkirche besuchen. Draußen war es kalt, das durften wir beim Kinobesuch bereits feststellen. Ich weiß noch, dass ich einen Rock angezogen hatte. Ich schlüpfte in meine warmen Winterstiefel, zog mir die dicke Kapuzenjacke über und schützte meine kleinen Hände mit Handschuhen.
Wir verließen die Wohnung im zweiten Stock und ich hüpfte die Stiegen runter. Durch das große, schwere, hölzerne Tor – aufgehalten von Mama – huschte ich ins Freie. Die Kälte hatte gewartet. Mama und Papa kamen hinter mir nach. Mein kleiner Bruder war sicher dabei, jedoch sehe ich ihn auf meinen inneren Bildern nicht.
Wir standen am Gehsteig der Diehlgasse. Wie in einem kitschigen Weihnachtsfilm begann es aus heiterem Himmel zarte Schneeflöckchen zu schneien. Fasziniert hob ich den Blick gen Himmel, streckte die Arme von mir und stand eine gefühlte Ewigkeit so da. Das Schneetreiben wurde stärker. Nach ein paar Minuten hatte eine dünne Schicht Gehsteig und Straße bedeckt, jungfräulich ohne jegliche Reifenspuren und Schuhabdrücken.
Irgendwann ließen wir den magischen Moment hinter uns und machten uns auf den Weg.
Dieser eine Augenblick des absoluten Friedens, der glückseligen Freude und der totalen Geborgenheit brannte sich für immer in mein innerstes Gedächtnis.
Sollte es am 24. Dezember schneien (selbst wenn dies mittlerweile sehr selten vorkommt), packe ich mich warm ein, stelle mich dem Naturschauspiel, strecke die Arme in die Höhe und richte meinen Blick gen Himmel.
Dann bin ich für diese kostbaren, sich verflüchtigenden Minuten wieder jenes kleine Kind auf dem Gehsteig in Wien …
© G.F. Stöger 2020-11-29