Blind Date in red

Sepp Wejwar

von Sepp Wejwar

Story

Ein Blind Date! In einer Zeit, als so etwas noch anrüchig war. Gerade deshalb musste es ausprobiert werden. Die telefonische Verabredung zum Rendezvous war nett – wir freuten uns über angenehme Stimmen, höfliche Umgangsformen. Sie nannte ein von Albanern geführtes italienisches Espresso in Mariahilf. Der Mann soll immer der Frau die Lokalwahl überlassen – sie will sich sicher fühlen.

Natürlich bin ich überpünktlich. Sitze an einem Tisch in der Mitte des Lokals (siehe oben). Das Buch „Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus“ liegt gut sichtbar am Tisch. Unser Erkennungszeichen. Es wird ein echtes Blind Date, also ohne vorausgehenden Austausch von Bildern.

Ich trage ein ziemlich gutes Sakko und ein dezentes Hemd; bin eine Spur overdressed, für diesen knallschwarz-roten Schuppen. Dessen vornehmlich glänzende Einrichtung deutet auf einen Stil in der Nachfolge der Bochumer Eissalon-Romantik. Ich erkenne rasch die größten Vorteile solcher Treffen: Man kommt in Lokale, die man normalerweise nie betreten würde; man trifft Menschen aus, sagen wir, anderen Kreisen. Raus aus der Bubble!

Eine Frau betritt den gastlichen Raum. Ihr suchender Duktus und die im Telefonat angekündigte, wallende Hennamähne lassen keine Zweifel auf. Das ist sie! Ihr Blick fällt zuerst auf das Buch, schweift dann zu mir – sie erstarrt. Macht den Eindruck, als wollte sie am Absatz umkehren. Nach einer Schreckminute tritt sie an meinen Tisch, setzt sich, ohne den Mantel auszuziehen.

Ich lächle, will ihr die Hand küssen. Sie wehrt echauffiert ab: Nein das geht nicht! Gar nicht! Unmöglich!

Ich rieche an meiner Achsel. Alles sauber. Selbst das mit Bedacht ausgewählte, mittelprächtige Eau de Cologne stinkt nur mäßig.

Nein, nein. Sagt sie. Es liegt nicht an dir. Obwohl – eigentlich schon. Ich hab mich nur hergesetzt, weil ich nicht unhöflich … am Absatz umkehren …

Was hab ich verbrochen?

Du? Vermutlich nicht mehr, als jeder durchschnittliche Mann.

Also – was ist los, sag es mir, bitte.

Du siehst meinem Ex so furchtbar ähnlich. Wie aus dem Gesicht gerissen. Ich habe zuerst gedacht, er ist es. Aber er hat kein Feuermal auf der Wange. Und so ein Sakko hat er auch nicht. Würde er nie kaufen.

Na, dann ist ja alles geklärt. Ich kann dir gerne beweisen, dass Männer, die so aussehen, wie dein Ex und ich, höchst unterschiedlich…

Nein, sei mir nicht bös. Entschuldige, dass ich dich zuerst so angeschnappt habe. Aber ich muss gehen.

Erst jetzt beginnt das Ganze mich richtig zu reizen.

© Sepp Wejwar 2021-05-13

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