Bloß Busen

Berit Glaser

von Berit Glaser

Story

Endlich freies Wochenende. Hauptsache raus aus Wien ist die Devise, nachdem der Beschluss gefallen ist, die Pride heuer auszulassen. Wär zu deppert irgendwie, sich jetzt noch zu clustern, so kurz vor der Impfung. Auch vielleicht eh nicht so prickelnd, bei 34 Grad verballert durch die Stadt zu starten. Stattdessen ins Südburgenland also und mit einem befreundeten Pärchen weiter zum künstlichen Stausee. Eintritt wird keiner verlangt. Vielleicht braucht man hier das Geld nicht so dringend, eher wahrscheinlich kein Bock auf Arbeit mit Maske. Wir legen uns unweit der kleinen Rutsche ans Ufer. Die Jungs sind zu faul oder feig, wir dafür sofort in der Bikinihose und ready to rutsch. So ein paar Kinder rennen uns dabei fast über den Haufen und sind sichtlich genervt, dass sie ausgebremst werden, von komischen Frauen, die sich nicht ihrem Alter entsprechend benehmen können. Zu ihrem Glück reicht uns einmal ohnehin und da chillen wir schon wieder bei den Anderen in der Sonne.

Kommt ein Dude des Weges, Ende Fünfzig, korpulent, weiße Shorts und T-Shirt. Ein laut gezischtes „Gs gs gs!!!!“ in unsere Richtung. Guter Trick, da hat er schon die gesammelte Aufmerksamkeit. Der Freizeitpantomime fuchtelt jetzt wild mit seinen Händen auf Brusthöhe herum und deutet anschließend mit den Zeigefingern einen Scheibenwischer auf höchster Stufe, den wir in Kombination mit dem finsteren Gesichtsausdruck und vehement geschütteltem Kopf, als ein „NEIN-NEIN-NEIN!“ verstehen. Für den Bruchteil einer Sekunde will ich mich entschuldigend bedecken, was mich im nächsten Bruchteil fast aus der Haut fahren lässt. Wie krank ist bitte die männliche Selbstverständlichkeit, Frauen zu sagen, was sie zu tun haben und wie verrückt tief verankert das weibliche Gefühl, den Befehlen nachkommen und sich schämen zu müssen? Sofort hab ich mich wieder im Griff und schrei dem Typen hinterher, dass in allen öffentlichen Bädern in Österreich und dem Großteil Europas per Gesetz für Frauen und Männer dasselbe gilt: Primäre Geschlechtsmerkmale müssen bedeckt sein, sekundäre dürfen frei rumlaufen. „Bei uns nicht“, der säuerliche Konter. Ob das in der Badeordnung steht, wollen wir wissen und ob ihm eigentlich klar ist, wie diskriminierend sein Verhalten uns Frauen gegenüber ist.

„Schaut’s“, versucht es der Pseudobademeister, der sich später glatt als Bürgermeister entpuppt, jetzt amikaler, „mir persönlich is das ja egal. Aber da sind doch Kinder!“ Ich bin nicht sicher, ob ichs zum Lachen oder Weinen finden soll, dass er wirklich glaubt, dass ers für uns grad verständlicher macht. Ich hab jedenfalls schon lang kein derart bescheuertes Argument mehr gehört. Bis er Sekunden später endgültig den Vogel abschießt: Auf unsere Kritik an seiner Art Menschen anzusprechen, erklärt er doch tatsächlich, dass 80 Prozent der Badegäste hier Ungarn sind, „nix für ungut”. Oh Wow. Ich stelle fest, dass ich zwar den Busen frei hab, der Kerl aber eindeutig der mit ganz oben ohne ist.

© Berit Glaser 2021-06-29

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