Blond

Wladimir

von Wladimir

Story

Meine Mutter hatte mich fast vier Wochen vor der Zeit in ihrem Arm. Ich war recht mickrig, mit schiefer Nase, nur ‘braungebrannt‘ war ich, wegen ihrer Karottensucht und schwarze Härchen hatte ich, sagt sie, dünn, aber recht deutlich, wie mein Vater. Eher olive Haut, mit dunklen Augen und fast schwarzem Haar. Sie selbst war zierlich , aus dem Norden, blond, dunkelblond, mit hellbraunen Augen und rosiger Haut.

Nun nahm ich mein Leben lang an, brünett zu sein, also so durch und durch. Eben nicht blond und hell! Das kommt mit anderem Charakter, denke ich, dachte ich, irgendwie. Wichtig das im eigen Kopf zu haben!

Das passiert wohl häufig. Man beschreibt sich zu sich selbst und versucht sich einzurichten, auszurichten. Cliche-Bilder hat man im Kopf, auch wenn man sie für blöd hält. Some like it hot. Ava Gardner, Jackie O., Sean Segall, Mother Mary. Keine davon kann die andere Haarfarbe sein, oder?

Ich nahm einen Mann mit sehr dunklem Haar und Wikinger-Haut, und unsere Kinder waren alle sehr blond, nachdem sie den ersten dunklen Flaum verloren hatten. Nur einer hat meine Haut, meine Tochter verbrennt in der Sonne und hellt ihr dunklerwerdendes Haar mit Strähnchen, das Haar meiner Söhne wurde später fast schwarz.

Natürlich geht das alles nicht spurlos vorbei. Ich hatte schon bei der Geburt meines ersten Babys ein paar weiße Härchen, ganz wenige. Die habe ich weggekriegt beim Friseur. Salz und Pfeffer war nicht mein Ding. Dann sind wir viel umgezogen, ich habe meine Friseuse an eine Weiterbildung Richtung Bürokauffrau verloren, mM hat meine feinen Haare im Bad mit dunkler Tönungscreme durchzogen.

Inzwischen wurden meine Haare immer heller. Lange hielt kein Paris-Braun mehr bei mir aus. Irgendwie war ich schon nach zwei Wochen ziemlich ausgebleicht. Als wir für mMs Projekt in den Oman gingen, hatte ich Tönungscreme im Gepäck. Nur dass sie nun gar nichts mehr wert war. Die Sonne war überall und unbesiegbar. Mein dünnes Haar war zu oft nass (Dusche, Schwimmen). Scheren waren weit weg. Und außerdem war es mir peinlich in einen Friseur zu gehen. Wenn die hiesigen Damen ihre Schleier abnehmen, dann haben sie lange, üppige dunkle Tressen.

Ich lernte neue Leute kennen, offene, interessante Menschen. Bald war ich Teil von einer Malergruppe mit jungen Architekturstudenten, sass bei einer neuen Freundin in deren Atelier, sie im schwarzen Schleier, ich mit nun oft nicht mehr glattgeföhntem Melangehaar. Wenn ich an mein Aussehen dachte, dann, ob ich genug bedeckt war, lange weite Hosen und langarmTees, oder weite lange Kleider, Seidenschals…

Meine Haare sind nun weiß, gemischt mit verschiedenen Blondtönen, immer noch sehr fein, oft naturwellig, und schulterlang.

Ich schwimme täglich. Und wenn ich in den Spiegel schaue, ist da eine blonde Frau zu sehen (mit weißen Strähnchen). Ich denke, ich brauche ein neues Bild von mir selbst.

Und eine der jungen Malerinnen sagte ‘so schön’ zu meinem zu dünnen, hellen Kopfhaar. Ich ließ sie es anfassen…

© Wladimir 2022-02-25