Rückblick: Zwei Jahre zuvor
„Ich wurde gestern Zweite beim Laufwettbewerb“, erzähle ich einer Freundin. Plötzlich fängt irgendjemand hinter mir an zu lachen. Ich drehe mich um und sehe ihn dastehen. Leon. Er sieht mich an und lacht. Verwirrt schüttle ich den Kopf und drehe mich wieder zu meiner Freundin.
Als ich gerade wieder ansetze, um von gestern zu erzählen, steht er plötzlich neben mir. „Du und laufen. Als ob du einen zweiten Platz gemacht hast! Von hinten oder was?“, er fängt erneut an zu lachen. Mit ihm stimmt sie ein – Meli. Das war klar. Für Meli ist die Situation wohl ein gefundenes Fressen. Endlich wieder einmal etwas, bei dem sie mir wehtun kann. Was war nur mit uns passiert? Was war mit unserer Freundschaft passiert und warum?
„Beim Laufen warst du also so gut? Wieso bist du dann beim Tennisspielen immer langsamer als ich?“, fragte sie provozierend und zieht eine Augenbraue hoch. „Ja, stell dir vor, ich bin Zweite geworden“, antworte ich gekränkt. Ich probiere es zwar nüchtern zu sagen, aber meine Stimme ist auf einmal ziemlich heiser und es klingt eher erstickt als nüchtern. Ich bin verletzt. Es kränkt mich, wenn sie so etwas sagt. Es kränkt mich, wenn sie mich vor anderen bloßstellt. Sie weiß, wie sie mich verletzen kann und sie weiß, dass es mir umso mehr wehtut, wenn es von ihr kommt.
Meli und ich spielen seit ein paar Jahren zusammen Tennis. Meine Schwester hat vor einem Jahr aufgehört Tennis zu spielen. Seitdem fühle ich mich dort ziemlich alleine. Ich habe keine Unterstützung, keine Verbündete an meiner Seite.
Seitdem Vanessa aufgehört hat, gefällt es mir auch nicht mehr so gut, wobei dies vor allem an Meli und an den ständigen Neckereien und Anspielungen liegt. Fällt Meli das eigentlich überhaupt auf, dass sie mich damit verletzt oder tut sie das alles ohne nachzudenken? Meli lacht erneut und auch Leon stimmt mit ein. Ich merke wie mir die Hitze zu Kopf steigt, wie ich rot werde und drehe mich deswegen etwas zur Seite. Weg von den beiden. Ich will ihnen nicht zeigen wie sehr sie hierbei einen wunden Punkt treffen. Ich atme tief durch und probiere den Kloß, der ganz fest in meinem Hals steckt, loszuwerden, aber er geht nicht weg. Mit noch immer erstickter Stimme drehe ich mich wieder zu ihnen. Ich sehe Meli fest in die Augen und sage: „Weißt du, von dir hätte ich so etwas echt nicht erwartet, du weißt doch, dass es stimmt, dass ich gut laufen kann!“ Als Antwort bekomme ich nur ein erneutes Grinsen.
© Daniela Simlinger 2021-08-14