Blütenpoetin

Luna Winkler

von Luna Winkler

Story

Mama, ich möchte schreiben lernen.

Schreiben? Aber das kannst du doch schon, mein Schatz. Das hast du doch schon in der Schule gelernt.

Nein, Mama. So richtig schreiben. Mit Worten und so.

Und da saß der einsame Poet in seinem Hinterstübchen an Gedanken, tüftelte und schrieb, um den brotlosen Umständen seines trostlosen, halb-melancholischen, halb-depressiven Lebens zu entkommen.

Nein. Es gäbe wohl tausend Wege, eine Geschichte über das Schreiben zu beginnen, tausend offene Anfänge und wohl noch mehr Möglichkeiten, diese enden zu lassen. Die Zeilen, sie wären so verschieden wie die Buchstaben, die sie formten, so komplex wie die Strukturen, die sie versuchten zu konservieren und doch so gleich aussehend, sah man nicht genauer hin und hinter deren schwarzen, löchrigen Fassaden und in deren mal leeren, mal gefüllten oder nicht vorhanden Augen.

Meine Geschichte begann da, wo die erste Klasse aufhörte – denn mit dem Eintritt in die zweite wurde mir ein Werkzeug an die Hand gegeben, oder eher an die Hand geklebt, denn seit diesem Tag, an dem ich meinen „Füller-Führerschein“ bestanden hatte, ward es um mich geschehen. Ich war schockverliebt. Dieser schmale Holzrohling mit der knallroten Kappe war also ein echter Füller, der mit Tinte lief und für mich die Freikarte in das Reich des geschriebenen Wortes – mein neuerfundener Garten Eden.

Dessen Blumen, die vielen Geschichten und Erzählungen, die irgendwie, auf wundersame Weise ihren Weg auf die Laufbänder meiner Kassetten gefunden hatten und sich darauf halb zu Tode hetzten, sie waren mir schon immer ein Mysterium, bei dessen Anblick mein Herz aufging und mein Kopf Bilder zeigte, von denen ich nicht wusste, woher sie kamen oder wer sie in mein Hirnkastl eingespeist hatte.

Doch nun, mit dieser neuen Feder inmitten der Bausteine aus Beton hatte ich erstmals die Möglichkeit, selbst tätig zu werden, selbst Blumen zu pflanzen, die keimten, heranwuchsen, blühten. Klar, viele von ihnen waren zwar gesät, sahen aber nie das Licht, dass über der Erde waberte, andere kamen so weit, doch verwelkten zu früh und schwanden dahin.Und dann gab es solche, die wollten gar nicht mehr aufhören zu sprießen, zu gedeihen, in aller ihrer Pracht ihre starken Häupter gen Himmel zu richten und mich anzulächeln. Sie waren meine Kreationen, ich hegte und pflegte sie, und auch, wenn so mancher Sturm und dessen verruchten Weggefährten sie taumeln oder gar verderben ließen, so hoben sie doch immer wieder die kleinen Blättchen und strahlten bald mehr denn je.

Es gab eine Zeit, da sähte ich ein ganzes Feld mit über 500 Samen, die ich jeden für sich behutsam in das Erddreich einbettete – und sie wuchsen und gaben ein prächtiges Bild ab. Blütengedichte und Prosapflänzchen waren ihre Nachfolger und bald widmete ich mich jedem einzelnem Spross, ließ sie individuell werden – und mein Herz sah, dass es gut war.

Und nun stehe ich hier, vor den Feldern meines Gartens – und vor seiner Pforte, da liegen sie alle.

Die Zweifel.

© Luna Winkler 2023-02-12

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