von S. Pomej
Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es den bösen Nachbarn nicht gefĂ€llt. Der Spruch hat seine Berechtigung. Abgesehen von LĂ€rm-, Geruchs- & Verbal-BelĂ€stigungen, fiel mir eine andre Art der Bosheit auf. Ich gucke gern in die Papiertonnen im Hof, wo ich manchmal ganze Bibliotheken finde, oder auch ganze Hinterlassenschaften von Verblichenen. NatĂŒrlich fielen mir bei der Gelegenheit auch die Briefe meiner Nachbarn in die HĂ€nde. Ja, die entsorgen ihren tĂ€glichen Briefverkehr einfach so, nicht einmal unter dem Wegschneiden ihres Namens. Da lag es nahe, dass ich – obwohl ich ja nicht der Neugierde verfallen bin – den einen oder andern Brief gelesen habe. GemĂŒtlich stand ich also bei den Tonnen und vertiefte mich ins Leben einiger Nachbarn. Hr. A. hat Schulden wie ein Stabsoffizier und erhĂ€lt Binnenbriefe: âWenn Sie nicht binnen 3 TagenâŠâ oder Benachrichtigungen seiner Bank: ââŠersuchen wir Sie dringend, Ihr Konto auszugleichen.â
Fr. Sch. hat scheinbar die Kaufsucht, denn sie erhĂ€lt regelmĂ€Ăig Mahnungen von VersandhĂ€usern. (Da kann man leicht nach der neuesten Mode gekleidet sein.)
Hr. M. von der 21er-Stiege hat sich wiederum einen teuren Sportwagen geleast und ist die letzten beiden Monatsraten sĂ€umig. Sehr höflich wurde er zum sofortigen Begleichen aufgefordert, da der Wagen sonst eingezogen wird. (Darum hab ich den Protzschlitten schon lĂ€nger nicht gesehen – Haha!)
Der neue Nachbar Hr. Xy hat seinen Arzt dazu gebracht, ihm ein Attest zu schreiben: ‚Mein Patient leidet an den Folgen einer schweren Pneumonie. Daher benötigt er eine Wohnung mit Balkon.‘ (Darauf muss man erst mal kommen.)
Frau U. hat Probleme mit Ihrem Sohn: âLiebe Mama, ich bin schon von den Drogen runter, also besuch mich bitte in der JVA Josefstadt.â (Bin ich froh, keine Ableger produziert zu haben!)
Und eines Tages, als ich voll Vorfreude wieder meine Lieblingstonne öffne, was erspĂ€hten meine entzĂŒndeten Ăuglein? PAPIERSCHNIPSEL! Einer von der Nachbarn muss wohl mein Hobby mitbekommen und sich einen ReiĂwolf als neues Metall-Haustier zugelegt haben. Die ganze Tonne war voll davon, viel zu viel fĂŒr die Post nur eines Einzigen! Wahrscheinlich haben die missgĂŒnstigen Leute eine Vernichtungs-Party veranstaltet mit dem Motto âGemeinsames Briefe-Spaghettisieren, damit die bekloppte Nachbarin sich nimmer an unsern Briefen delektieren kann‘ – boshaft! Es wird einem im Gemeindebau nicht das kleinste VergnĂŒgen gegönnt!
© S. Pomej 2023-01-18