Nie, wirklich nie hätte ich mir träumen lassen, dass ich einmal ernsthaft drüber nachdenken würde mich botoxen zu lassen. Ich ernähre mich gesund, kaufe wenn möglich Bioprodukte, lebe seit Jahren vegetarisch wegen der Tiere und achte auch sonst drauf auf der Welt möglichst wenig Schaden anzurichten.
Die aufgespritzten Gesichter mit null Mimik kenne ich aus den Seitenblicken. Wahnsinn denke ich mir jedesmal, wie kann sich ein an sich attraktiver Mensch freiwillig so etwas zufügen. Ich bin ja der Meinung, dass es hässliche Menschen gar nicht gibt. Menschen sind möglicherweise schlecht gestylt oder unvorteilhaft gekleidet. Aber so was wie „echt schiach“ gibt es nicht. Zumindest kann ein guter Friseur oder Zahnarzt da wahre Wunder wirken.
Neulich treffe ich mich mit einer, ich wollt schon sagen „alten“ Freundin. Aber weil wir schon beim Thema sind, möchte ich jetzt doch lieber das Attribut „langjährig“ verwenden. Wir sitzen also bei einem Kaffee im Schwarzen Kamel und beobachten die an uns vorbeiflanierende Welt. Ich freu mich immer wenn ich in die Großstadt komme, nicht nur wegen meiner Freundinnen, die nach dem Studium mehrheitlich dort hängen geblieben sind. Es ist halt auch alles ein Bissl schicker und mondäner als bei uns am Land.
Jedenfalls sagt sie: Du, fällt dir nix auf an mir ? Ich gehe im Geist alle Möglichkeiten durch. Neue Haarfarbe? Abgenommen? Zahnbleaching? Ich bin ratlos… weil eine neue Handtasche wär mir sofort aufgefallen, da schau ich immer gleich. Sie grinst und lässt mich zappeln. Mir ist wirklich nichts aufgefallen, sie sah gut aus wie immer. Sie hat ja diesen legeren schick, wo alles so unabsichtlich elegant aussieht.
Dann mustere ich sie nochmal und mein : „Du schaust irgendwie erholt und so frisch aus, warst du auf Urlaub?“ Sie platzt beinah vor Vergnügen und zeigt mir die Stellen wo sie gebotoxt beziehungsweise mit Hyaluron aufgefüllt wurde. Und natürlich auch die Verläufe, wo die eingezogenen Fäden sitzen. Es sah echt toll aus, vor allem weil nix zu sehen war.“Du, da bin ich aber nicht die Einzige, die du kennst. Ich darf aber nichts sagen!“: lacht sie.
Zurück in meiner kleinen Welt, hatte ich mich von der Botox Geschichte schon beinah wieder erholt. Dieses Wochenende war Familientreffen bei meiner Schwägerin. Die Tochter des Hauses sollte aus Deutschland anreisen, wo Sie als Internistin tätig ist. Sie kommt sehr häufig nach Hause worüber sich alle sehr freuen. Wir ersparen uns so viel Wartezeit bei diversen Ärzten. Reiseimpfungen, benötige Injektionen und ärztliche Konsultationen werden in unserer Familie gerne und oft ambulant erledigt.
Gebotoxt wird neuerdings auch. Für Familienmitglieder wird nur der Selbstkostenpreis verrechnet. Bis jetzt waren alle äußerst zufrieden und es sollen ab sofort regelmäßig Familien-Botox-Parties stattfinden.
Ich überleg noch ob ich hin geh!
© Dotti-on-the-road 2019-08-08