Brief an einen alten Freund

Neljo

von Neljo

Story

Hey,

noch gar nicht so lange her, dass wir uns sahen. Na ja, ich denke, es zählt nicht richtig, weil wir kein Wort wechselten und nur betreten wegschauten. Ich will auch nicht lange stören. Ich wollte nur eins sagen: Es tut mir leid. Ich weiß ehrlich gesagt nicht genau, ob es nötig ist. In letzter Zeit habe ich versucht zu reflektieren und mich zu fragen was für Freundschaften ich geführt habe und aktuell führe. Dabei ist mir aufgefallen, dass ich scheinbar keine geführt habe. Also zumindest nicht im tieferen Sinne. Wohl zu sehr darauf bedacht mich selber zu schützen, indem ich mich arrogant und einzelgängerisch gab, habe ich mich nicht darauf konzentriert, wie es den Menschen geht, die mir doch eigentlich wichtig sind. Das war vielleicht auch nicht bei jedem notwendig. Doch ich frage mich, ob ich dir mehr Zeit hätte widmen sollen? Nein, falsch. Ich hätte dir definitiv mehr Zeit widmen müssen. Denn was ich nun erkenne ist, dass ich jetzt zwar Freunde habe, einen um mit ihm stundenlange Diskussionen zu führen, eine auf die ich mich verlassen kann, wenn ich gute Laune brauche und eine, der ich erzählen kann, was mich beschäftigt, wenn ich es eigentlich niemandem erzählen will. Doch ich glaube, ich hätte auch jemanden gebrauchen können, der mich versteht. Ich glaube, du wärst das gewesen.

Was mich jetzt am meisten stört, ist die Ungewissheit, ob ich nicht vielleicht eh auf Ablehnung gestoßen wäre. Ob ich dir vielleicht eh nicht hätte helfen können. Jetzt kann das niemand mehr wissen. Also bleibt mir nur Reue. Sei dir sicher, ich würde es anders machen, wenn ich nochmal zurückgehen könnte. Zurück zu der Zeit als wir gerade auf die neue Schule kamen. Ich habe seit einem Jahr das Foto von uns vieren auf meiner Fensterbank stehen. Es erinnert mich daran was war und auf was ich in der Zukunft achten muss.

Zeit ist ein Arschloch, denn Sie vergeht. Ich höre meine Mutter in meinem Kopf wie Sie sagt, dass wir uns über die Zeit verändert haben. Ich hasse diesen Satz, weil ich keine Veränderung mag. Aber recht hat sie. Damit muss man klarkommen. Ich hoffe nur, dass es dir jetzt gut geht, und dass du mit dem Leben, das du jetzt führst, glücklich bist. Ich erwarte nicht, dass du meine Entschuldigung annimmst. In der Position bin ich schon lange nicht mehr. Ich schreibe sie hier außerdem auf, weil ich dich nicht in ein Gespräch ziehen will, das du nicht führen willst.

Ich veröffentliche diesen Text, weil er so vielleicht irgendjemandem da draußen doch etwas bringt. Hab mich noch nicht ganz von der Idee verabschiedet.

Nelio

© Neljo 2023-08-27

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Emotional, Reflektierend
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