Brief von einer Tochter

Lieber …..,

Ich vermisse Dich, aber ich melde mich nicht bei Dir.

Ich habe dich lieb, aber ich kann keine Beziehung zu dir führen, wenn du bist, wie du bist.

Ich würde dich gerne besuchen, aber du antwortest mir seit acht Monaten nicht mehr.

Ich würde über mich selbst sagen, dass ich in guten Verhältnissen aufgewachsen bin. Mir hat es in meiner Kindheit an nichts gefehlt, dafür hat der Großteil meiner Familie gesorgt.

Durch dich habe ich als Kind nie gelernt, auf mich selbst zu achten, sondern war nur auf der Hut, es allem und jedem in meinem Leben recht zu machen, notfalls auf meine Kosten.

Ich bin zu einem Mensch geworden, der schlecht nein sagen kann.
Ich bin zu jemandem geworden, der lieber einsteckt, als laut zu werden.

Ich bin harmoniebedürftig und kann Diskussionen nur schwer aushalten.
Ich entschuldige mich lieber für etwas, was nicht meine Schuld war, als zu streiten.

Ich würde mir lieber die Zunge ausbeißen, als jemanden um etwas zu Bitten oder mich aufzudrängen und ich habe schon immer das Gefühl, ich müsste dem mir gegenüber alles recht machen, nur damit ich gemocht werde. People Pleaser nennt man so etwas mittlerweile.

Irgendwo tief in meinem Herzen weiß ich, dass du mich lieb hast. Auf deine eigene verquere Art und Weise. Ich weiß, dass du das Beste für mich möchtest. Aber du hast dich für mich nicht zum Besseren verändert.

Man sagt, dass Kinder wie ich, sich oft durch eine bemerkenswerte Sensibilität, Ehrlichkeit und Intuition auszeichnen. Was solche Kinder einst zum Überleben gebraucht haben, erweist sich später als Gabe. Diese Menschen zählen wohl zu den stärksten der Welt.

Das klingt nach etwas, auf das man stolz sein kann, aber ich hasse es, dass ich von Dingen heilen muss, die nicht meine Schuld gewesen sind.