von SuzukiOma
Es war einmal vor langer, langer Zeit, da gab es noch keine Handys mit WhatsApp, Instagram oder Youtube. Wie also verständigte man sich da?
Es wurde mit der Hand geschrieben, ja, mit Füllfeder oder später schon mit Kugelschreiber. Damit wurde ein sogenannter Brief verfasst und dann mit der Post abgeschickt, mit Briefmarke und Stempel! Und die Briefträger wiederum brachten diese Briefe an die zuständige Adresse. Freude und Aufregung, wenn man solche Post in Händen hielt.
Nun, das ist jetzt nicht der Beginn eines Märchens der Gebrüder Grimm, sondern eine Überleitung zu meiner Geschichte.
Schon in der Volksschule war ich fasziniert von der Möglichkeit, aus Wörtern Sätze zu bilden um damit etwas ausdrücken zu können. Ganz genau kann ich mich noch erinnern, dass ich einen Aufsatz schrieb zum Thema „Ein Schilling erzählt“ und dieser dann im Schaukasten der Schule am Gang ausgestellt wurde. Ich war irre stolz darauf und habe mir dieses Heft mit den vergilbten Seiten lange aufgehoben.
Im Herbst 1965 fuhr ich mit meiner Mutter zu deren Freundin nach Straubing (D). Während die Damen über ihre gemeinsamen Zeit vor 1945 plauderten, las ich sämtliche Illustrierte von vorne bis hinten, denn bei uns zu Hause gab es aus verständlicher Sparsamkeit solchen Luxus nicht. Bei den Annoncen über Brieffreundschaften blieb ich hängen und pickte mir ein paar Adressen heraus, die ich dann Anfang des nächsten Jahres anschrieb.
Einige rührten sich gar nicht, aber eine Holländerin schickte mir einen netten „Trostbrief“, da sie schon so viele Angebote erhalten hatte und sich erst herausstellen musste, mit wem sie sich weiter unterhalten wollte. Und siehe da, Ende Februar meldete sie sich wieder und dann fing ein reger Briefverkehr an. Wir erzählten aus unserem Leben, lachten und weinten zusammen, ohne uns jemals persönlich zu sehen. Einige Fotos wanderten hin und her und wir lernten uns gut kennen. Diese Dame war 21 Jahre älter als ich, aber wir verstanden uns prächtig. Manchmal schickte sie mir auch selbst gehäkelte, lustige Dinge und ich ihr dafür Aufnahmen (damals noch auf Kassette) von unseren Konzerten meines geliebten Chores, bei dem ich auch 30 Jahre mitwirken durfte.
Nach zwanzig Jahren gingen wir zum vertrauten „Du“ über und lachten noch, weil wir eigentlich so lange damit gewartet hatten! Noch weitere 10 Jahre schrieben wir fleißig, dann jedoch kam die Nachricht von ihren Kindern, dass sie verstorben war. Mir tat dies so weh, als wäre eine Schwester von mir gegangen, immerhin haben wir uns 30 Jahre lang ausgetauscht!
Von jedem Brief, den ich schrieb, machte ich mir eine Abschrift, bzw. später schon Kopien und so kann ich über mein Leben innerhalb von drei Jahrzehnten nachlesen und finde das im Nachhinein sehr interessant.
In Zeiten von Corona, wo man die ältere Generation nicht besuchen sollte, wäre es eine grandiose Idee, wenn man vielleicht mal einen Brief schreiben würde. Ich kann nur sagen, die Freude der Betroffenen wäre riesengroß.
© SuzukiOma 2020-04-19