Brillenglas und Nasenpads!

Heinrich

von Heinrich

Story

Wenn du ein gewisses Alter erreicht hast, kann es sein, dass dich die Weitsicht besucht. Mir ist es vor kurzem so ergangen, eine Freude, sag ich dir. Zur 30 jährigen Kurzsichtigkeit hat sich die ältere Schwester, die Altersweitsichtigkeit dazugesellt. Spätestens da war mir klar: Noch in etwa die Hälfte bis zur Ziellinie. Ich warte bloß noch auf die Hellsichtigkeit, weil die muss ja wohl derselben Familie entstammen. Sie hat sich bis jetzt nur noch nicht angekündigt.

Jedenfalls ist es kein „Burner“, wenn dir klar wird, dass du im Grunde die gesamte zweite Lebenshälfte halb blind durch die Welt schreitest. Kontaktlinsenträger können sich ab diesem Zeitpunkt übrigens aussuchen, ob sie lieber Linsen zum Lesen wollen und dafür nicht mehr erkennen können, ob die Schwiegermutter bei der Türe hereinkommt, oder aber besser welche zum Autofahren und dafür muss dir der Autostopper die Straßenkarte vorlesen.

Zugegeben, beide Varianten suboptimal, aber die eigene Erfahrung ist halt doch die, auf die du dich verlassen kannst! Es gibt sie zwar auch „bifokal“, aber das funktioniert nichtmal in der Werbung. Oder hat wer eine Kontaktlinsenwerbung im Kopf?

Zum Glück hat die Menschheit auch sinnvolle Dinge erfunden und dazu gehört zweifelsohne die Gleitsichtbrille. Für die ersten Schritte empfehle ich einen Blindenhund auszuleihen, aber wenn man sich erst daran gewöhnt hat, kann man auch längere Zeit durch die Highendbeschichtung der Sehprothese blicken, ohne die Heimapotheke nach den Parkemed zu durchforsten. Wunderbar!

Schaut aber unbedingt auf den guten Sitz der Brille! Wenn sie rutscht, weg damit. Wenn die Bügel zu kurz sind, weg damit. Und vor allem weg damit, wenn keine einstellbaren Nasenpads vorhanden sind! Ich habe nachträglich so Klebepades verwendet. Sagenhaft. Funktion gegeben, das Silikon frisst sich quasi auf der Nase fest und verhindert somit ein Abrutschen.

Jetzt könnte man denken, na eh. Aber nur, bis du zum ersten Mal zum Putztuch greifst.

Ich habe meinen halben Urlaub damit zugebracht, die Klebereste, die ich mir mit dem Putztuch auf das Brillenglas gewischt hatte, wieder wegzubekommen. Parkemed reicht nicht – unbedingter Griff zu den Blutdrucksenkern!

Alter, was ist das? (In den ersten drei Stunden wird dir nicht gleich klar, dass die Schlieren vom weich gewordenen Kleber der Pads stammen!) Wenn es dir bewusst wird, hast du schon den Glasreiniger, den Entkalker und die WC-Ente aufgebraucht und die blaulichtfilternde Nanobeschichtung mit dem Topfschwamm (grüne Seite) weggeschliffen und die Bügel so verbogen, dass du den Sehbehelf, in Wahrheit, nur noch als Christbaumschmuck verwenden kannst. Alkohol ist auch restlos aufgebraucht – aber nicht vom Putzen! Wie soll man das sonst durchstehen?

Meine Familie hatte bereits telefonisch um Personenschutz angefragt, soviele Kraftausdrücke soll ich angeblich in den Spiegelschrank geschrien haben. Also, bitte auf Klebe-Nasenpads besser verzichten!

© Heinrich 2020-05-04

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