von Ulrike Sammer
Wir landeten in Bristol, einer Stadt im SĂŒdwesten von England. Die Stadt existierte bereits zu Beginn des 11. Jahrhunderts und erhielt unter normannischer Herrschaft eine der stĂ€rksten Burgen in SĂŒdengland. Aus dieser Zeit stammt die mĂ€chtige Kathedrale mit ihren zwei quaderförmigen TĂŒrmen mit vier kleinen Spitzen an den Ecken. Im 12. Jahrhundert wurde Bristol eine wichtige Hafenstadt und wurde zum Zentrum des Schiffbaus. Bis zu seiner Auflösung in England nutzte der Templerorden Bristol als Haupthafen fĂŒr seine Pilgerfahrten. Hier war 1497 der Ausgangspunkt von John Cabots Erkundungsreise nach Nordamerika.
Es gibt aber eine sehr grausame Vergangenheit der Stadt. Bristol war das Zentrum des Sklavenhandels. Bis 1807 wurde der Hafen von ĂŒber 2000 Sklavenschiffen angefahren, die ĂŒber eine halbe Million Menschen von Afrika nach Amerika verschleppten. Edward Colston war ab 1680 stark im Sklavenhandel tĂ€tig, aus dem er den GroĂteil seines Reichtums schöpfte. Er besaĂ ĂŒber 40 Schiffe. Bereits 1682 verwendete er die Gewinne aus dem Sklavenhandel fĂŒr GeldverleihgeschĂ€fte. SpĂ€ter wurde er auch Teilhaber einer Zuckerraffinerie, die Roh-Rohrzucker, der von Sklaven auf den Plantagen der Karibikinsel St.Kitts produziert wurde, verschiffte und verarbeitete. Im Zuge des Sklavenhandels war Colston an der Versklavung von mehr als 84.000 Menschen beteiligt, darunter 12.000 Kinder. 19.000 Menschen starben an Bord seiner Schiffe. Die Ăberlebenden wurden in die Sklaverei verkauft, zumeist fĂŒr Tabak- und Zuckerplantagen in der Karibik.
Unser Kontrastprogramm war ein Ă€uĂerst stimmungsvoller Platz: ein elegantes Herrenhaus in Devon, der Region weiter Hochmoore. Es ist der Sitz einer Familie, die am Höhepunkt der Viktorianischen Ăra ihren Reichtum durch die industrielle Spitzenherstellung erworben hatte. Der exzentrische Architekt William Burges hat 1873 das neugotische Haus gebaut und mit weiten GĂ€rten umgeben. Die Zimmer waren meist mit dunklem Holz getĂ€felt, das mit Einlegearbeiten geschmĂŒckt war. Es gab sogar ein frĂŒhes Wasserklosett in glĂ€nzendem Holz. Die GĂ€rten wurden raffiniert mit gestutzten Hecken in immer neue Bereiche geteilt, teils mit Skulpturen, teils mit kleinen Teichen voll blĂŒhender Wasserrosen bestĂŒckt. Kleine SteinbĂ€nke und groĂe blĂŒhende Rosen- und HortensienbĂŒsche bildeten intime Nischen. Diese bezaubernden GĂ€rten lassen erahnen, welche Heerscharen von Bediensteten hier nötig waren.
Nun ging es noch nach Exeter, der Hauptstadt von Devon, die oft in Filmen von Rosamund Pilcher vorkommt (was ich aber selbst nie gesehen habe). Die prachtvolle, romanisch-gotische Kathedrale ist eine Reise wert. Ihre SÀulen und Gewölbe sehen wie riesige, kunstvolle Palmen aus. Die Kirchenfenster sind unglaublich zart und schön. Ein Chor von etwa 10-jÀhrigen MÀdchen und Buben in Ministrantenkleidern, der gerade von einer Chorprobe kam, lieà sich gerne und stolz fotografieren.
© Ulrike Sammer 2021-12-19