Broken english

Michael Dold

von Michael Dold

Story

„Lieber Johann, wenn Sie weiterkommen wollen, müssen Sie unbedingt Ihr Englisch verbessern. Englisch ist die Weltsprache des Gastgewerbes .“ Diesen Satz von Herrn Wagner, dem Rezeptionschef und Stellvertreter des Direktors, hörte er mindestens einmal die Woche.

Seit vier Monaten war er in diesem Hotel, einem gutgehenden Viersternehaus, als „Mädchen für alles“ angestellt. Seine adrette graue Uniform mit den glänzenden Goldapplikationen stand ihm wie angegossen und das Trinkgeld floss reichlich. Einzig die englische Sprache bereitete ihm immer noch Schwierigkeiten. Um seine Kompetenz in dieser Hinsicht zu verbessern, wurde er, wenn möglich, zur Betreuung englischsprachiger Gäste eingesetzt.

„Johann, Zimmer 34, Mrs. West benötigt Hilfe .“ Sofort machte er sich auf den Weg, klopfte und meldete sich mit: „Rumsörwis“, an. Die Tür wurde geöffnet und eine Frau in einem weissen Bademantel bat ihn herein. Sie war attraktiv, rothaarig und ca. 40 Jahre alt. „Hello, I want to take a bath.“ Johann versuchte ihren Wunsch auf deutsch zu entschlüsseln und verstand „Bad“. Mit einem „Jes ei andaständ“, ging er ins Badezimmer und drehte die Wasserhähne auf. Mrs. West war ihm gefolgt und stand ihm jetzt direkt gegenüber. Sie streckte ihm ihre Hand entgegen und sagte in sanftem Ton: „My Name is Margret. What is your name?“ Johann ergriff verlegen die weiche Hand von Mrs. West und erwiderte: „Mei näm is Johänn.“ Mrs. West lachte: „Oh how funny: You are Hansel and I am Gretel. Just like in the fairytales of the Grimm-Brothers!“ Johann verstand nicht, lachte aber anstandshalber mit. Gretel beugte sich über die Badewanne, verteilte eine ordentliche Portion Schaumbad in der Wanne und drehte langsam die Wasserhähne zu. Die Rückbewegung verband sie mit einem eleganten Abstreifen ihres Bademantels. Die weisse Unterwäsche hob sich kaum von ihrer hellen Haut ab. Johann entfuhr ein spontan ausgeatmetes „oohh“. „Please Hansel, take your Fingers in the water. Is it not to hot for me?“ fragte sie mit einem unschuldigen Augenaufschlag. Johann schob den Ärmel seiner Uniform zurück und tauchte bis zum Ellenbogen ins Wasser ein . „No, it is wery gud“, war seine fachmännische Diagnose. „Good boy“, meinte Gretel, streifte gekonnt BH und Höschen ab und stieg in die dampfende Schaumwolke, bis nur noch der Kopf, umrahmt von ihrer roten Mähne, sichtbar war.

Die ganze Situation schien Johann zu entgleiten und er wollte sie so rasch als möglich beenden. Entschlossen wandte er sich an Gretel : „Dis Situäschn is to prägnant for me. It is bätta ei go.“ Damit bewegte er sich langsam rückwärts zur Türe. Von der Badewanne schlug ihm schallendes Gelächter entgegen: „Pregnant? No, I’m not pregnant! All good. Last wish Hansel, please bring me the brush.“ Johann, verstand nicht, blieb stehen und suchte vergeblich nach der Bürste . Mit einem: „Sorry ei kän not feind de busch“, verabschiedete er sich.

Am Gang draussen vernahm er noch ein verächtliches „Bloody beginner!“

© Michael Dold 2020-01-04

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