von Daniel Friedrich
Die Party fing in einer Stunde an. Mein schwarzes Kleid stellte den Mittelpunkt meines Outfits da. Dass ich mir diese dicken dunklen Stiefel gekauft hatte, passte meinen Eltern gar nicht. Es wunderte mich, dass Sie in diesem Punkt überein stimmten. Ich begann mich zu schminken. Das Zimmer gehörte einmal meiner großen Schwester Elly. Nach der Scheidung unserer Eltern, zog sie nach Köln. Es dauerte etwas, bis ich mir hier ein eigenes Gothic Mekka eingerichtet hatte. Alle Wände waren Schwarz, rote Kerzen schmückten die Fensterbank. Die Gedichte und Geschichten von Edgar Alan Poe fanden einen Ehrenplatz. Mein dunkles lila Bett passte gut zu den Schwarzeichenschränken. In meiner Handtasche von Dark World war alles was ich brauchte. Nur die Kondome hatte mir mein asozialer Vater abgenommen. Aber so konnte ich Ihn mit einem Kind bestrafen. Weshalb er damals Mutter gehen ließ, ist für mich unverständlich. Kämpft man denn nicht um seine große Liebe, wenn man sie erst einmal gefunden hat?
Ich versuchte mich die Treppe hinab zu schleichen. „Wo willst du hin, undankbare Göre?“ Er war mal wieder betrunken. Eigentlich war er das seit damals fast immer. Wann er das letzte Mal nüchtern war, weiß ich gar nicht. „Noch Mal: Wo zur Hölle willst du hin?“ „Weg!“, sagte ich kurz angebunden aber bestimmend. „Triffst du dich wieder mit diesem asozialen Dreckspack, die du Freunde nennst? Antworte mir, Schlampe!“ Ich bekam nur noch das zersplittern einer Bierflasche hinter der Haustür mit. Der Alte hatte mir, wie so oft wenn er dicht war, eine seiner leeren Flaschen hinterher geworfen. Ich verstand Elly ja so gut, warum sie ging. Wäre ich nur auch so stark wie sie, dann könnte ich schon in Köln oder weiter weg sein. Die kalte Nachtluft tat sehr gut. Sie machte mir den Kopf einigermaßen frei. Ich steckte mir eine Zigarette an.
Als ich mich der alten Schlossruine näherte, sah ich, dass die Party schon im vollen Gange war. Patrick, mein bester Freund, sah gleich, dass es mir nicht gut ging. Ein einziger Schuss! Das war es was ich jetzt brauchte. „Du hast dir noch nie etwas gespritzt. Sei vorsichtig. Der Stoff ist euch neu. Stärker als der alte.“, warnte Patrick mich noch vor. Die Spritze lag kalt in meiner verschwitzten Hand. Sollte ich diese letzte Grenze wirklich brechen? Mutter würde sich sicher schämen, wenn sie wüsste, was ich hier grade in Erwähnung ziehe. Aber alle schämen sich bereits für mich. Warum sollte es bei meiner eigenen Mutter anders sein. Mir gelang es auf Anhieb eine Wehne zu finden. Alle Sorgen und Lasten vielen von mir ab. Ich fühlte mich einfach herrlich. Ich war so High, dass ich nicht Mal bemerkte, wie die Jungs mich abwechselnd fickten. Nun hast du es geschafft, dachte ich. Jetzt hast du die Erwartungen von deinem gesamten Umfeld erfüllt. Mein Herz begann zu schmerzen. Alles um mich herum verschwand, dann wurde ich Ohnmächtig. Als ich am frühen Morgen erwachte, waren bereits alle verschwunden. Mir tat alles weh. Nachdem ich mir den String wieder gerichtet hatte, und der Rock wieder an Ort und Stelle war, torkelte ich zum Bahnhof. Ich musste mit Elly sprechen. Über meinen letzten großen Bruch!
© Daniel Friedrich 2023-05-31