Brückenbauerin

nastenka

von nastenka

Story

Ich ging heute zu McDonalds, um, Überraschung, meinen Hunger zu stillen und verließ ihn mit Gefühlen von Trauer, Verwirrung, Leugnung. Mir gegenüber, zwischen uns ein Gang, saß eine alte Frau deren Rücken so gekrümmt war, dass sie weder hinauf noch gerade aus schauen konnte. Immer nur nach unten schauen, ein Rücken der eine Brücke gleicht. Ich frage mich, ob er auch als solcher gebraucht wurde.

Die Dame geht hin und her zwischen McCafé und ihrem Platz, jedesmal schiebt sie ihre langen grauen Haare zur Seite, wie ein Vorhang der auf geht. Ich verliere sie in der Menge der Menschen immer wieder, auf ihren Café-Sitzplatz-Spaziergängen. Platz, ein Keks, Platz, Zeitung, Platz, Café, Platz. Und ich frage mich wieder, ob ihr das oft geschah, ob sie im Gemenge ihres Lebens oft sich selbst aus den Augen verlor – es scheint das Schicksal vieler Frauen zu sein. Sie erinnert mich an Erzählungen in denen Menschen andere Lebensformen annehmen. Sie verwandeln sich in Tiere, Fabelwesen, Flüsse. Diese Dame, eine Brücke. Etwas – nein, jemand – der den Weg über Gewässer sichert, verschiedene Orte und Schicksale miteinander vereint. Überwindung und Verbindung.

Ich wundere mich aber auch, wieso ich so überzeugt bin, dass es ihr nicht gut geht, nur weil sie alleine im McDonalds ist, bin ich doch auch. Die alte Dame steht wieder auf, öffnet ihren Haarvorhang, legt ihr Tablett zur Tablett-Rückgabe (was selbst die meisten Menschen mit geraden Rücken nicht tun) und geht. Ich bleibe noch ein wenig und hoffe dass meine ursprünglichen Gedanken von Not und Vernachlässigung mehr über mich aussagen als über die Dame.

© nastenka 2020-08-17